Grüne wecken Kampfgeist gegen Schwarz-Gelb

Berlin (dpa) - Mit demonstrativer Nähe zur SPD und der Ankündigung von Steuererhöhungen für Wohlhabende wollen die Grünen bei der Bundestagswahl die schwarz-gelbe Regierung ablösen.

Der Grünen-Parteitag beschloss am Sonntag in Berlin einmütig ein Wahlprogramm für Ökologie, Sozialreformen und Umverteilung. Spitzenkandidat Jürgen Trittin gab unter dem Jubel der rund 800 Delegierten die Losung aus: „Ersetze Schwarz-Gelb durch den grünen Wandel.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand mit seiner Forderung nach steuerpolitischem Maßhalten bei seiner Partei keinen Widerhall. Die Koalition aus Union und FDP reagierte prompt mit Empörung auf die Beschlüsse.

Auf dem Parteitag der Grünen bezeichnete SPD-Chef Sigmar Gabriel die rot-grüne Wunschkoalition in einer umjubelten Gastrede als richtungsweisend. „Es geht um Fairness, um Nachhaltigkeit, um Gerechtigkeit“, sagte Gabriel. Das rot-grüne Bündnis müsse mehr sein, als eine rechnerisch mögliche Koalition. „Wir sind die Lobby des wirklichen Lebens“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Fünf Monate vor der Bundestagswahl beschwor Parteichefin Claudia Roth in aggressivem Ton Geschlossenheit und Zuversicht: „Wir wuppen das!“

Der CDU-Wirtschaftsrat griff die Grünen-Pläne als Sargnägel für den Mittelstand an. SPD-Chef Gabriel machte nach dem Grünen-Parteitag deutlich, bei der von seiner Partei abgelehnten Besteuerung des Eigenkapitals von Unternehmen noch Klärungsbedarf zu sehen. „Es kann nicht sein, dass wir den Mittelstand stärker in die Hände der Banken treiben, weil wir deren Substanz, das Eigenkapital, besteuern“, sagte Gabriel in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Da werden wir mit den Grünen sicherlich eine gemeinsame Lösung finden.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sprach von einer „Verarmungsstrategie“ für die Mitte. Nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte auch CSU-Chef Horst Seehofer, mit ihm werde es keine Steuererhöhungen geben.

Grünen-Chefin Roth wies den Vorwurf der Abzockerei zurück. „Uns geht es um eine Gesellschaft, die nicht auseinanderbricht, uns geht es um Schuldenabbau“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur, „und da muss Merkel jetzt eine Antwort geben.“ Vor den Delegierten sagte Grünen-Chef Cem Özdemir: „Robin Hood ist hier, der Sheriff von Nottingham ist dagegen bei Frau Merkel, bei Schwarz-Gelb.“

Die Basis bescherte der Führung einen glatten Durchmarsch und segnete in Dutzenden Abstimmungen nahezu alle Vorschläge ab. Der Spitzensteuersatz solle nach den Grünen-Plänen ab einem Jahreseinkommen von 80 000 Euro brutto von 42 auf 49 Prozent steigen. Der Staat soll so mehr Mittel für Bildung und Soziales bekommen. Untere Einkommensgruppen wollen die Grünen entlasten, indem sie den Grundfreibetrag von 8130 auf 8700 Euro anheben. Eine auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe soll Reiche mit 1,5 Prozent belasten und 100 Milliarden Euro zum Abbau der Bundesschulden erbringen.

Trotz aller Warnungen Kretschmanns vor Belastungen des Mittelstands beschlossen die Grünen, später eine dauerhafte Vermögenssteuer einführen zu wollen. Dennoch lobte der erste grüne Ministerpräsident die Steuerbeschlüsse: „Wir haben die richtige Balance auf diesem Parteitag dazu gefunden, und darüber bin ich sehr froh.“ Die Wähler fänden bei den Grünen glaubwürdige Politik.

Göring-Eckardt wies am Abend den Vorwurf zurück, weit nach links zu rücken und der Linkspartei Konkurrenz zu machen. Mit Verweis auch auf die Umweltthemen und die außenpolitische Haltung sagte die Spitzenkandidatin in der ARD: „Von der Linken unterscheidet uns sehr viel. Wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel. Das hat nichts miteinander zu tun.“

Mit scharfe Attacken untermauerte Roth auf dem Parteitag das Nein zu einer schwarz-grünen Koalition. Mit Blick auf die Affären der CSU sagte sie: „Denen soll das Kruzifix doch von der Wand fallen!“

Für den Fall eines Wahlsiegs erwarten die Grünen auch schwierige Verhandlungen mit der SPD. „Man kann mit ihnen koalieren, aber es ist auch verdammt viel Arbeit“, gab Trittin zu. Für Streit mit der SPD dürfte zum Beispiel die Forderung nach einem Kohleausstieg bis 2030 sorgen. Weder SPD noch Grüne schließen anderen Koalitionen ganz aus. Überraschend forderte die Mehrheit der Delegierten, der Verfassungsschutz solle auf V-Leute verzichten.

Nach hitziger Debatte billigten die Grünen den geplanten Neustart bei der bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Endlager, ohne Gorleben von vorneherein auszuschließen. Die Delegierten forderten ein Tempo 80 auf zweispurigen Landstraßen, die Anhebung des Hartz-IV-Satzes auf 420 Euro und die Begrenzung von Boni für Unternehmensbosse. Im Einklang mit der SPD wollen sie einen Mindestlohn von 8,50 Euro oder mehr.