Kasselberg in Köln Hochwasser im Rheinland - Wenn ein Dorf zur Insel wird
Köln (dpa) - Michael Grohe hat den ersten Termin für das Wassertaxi schon auf dem Zettel. „6.45 Uhr abholen“ steht auf dem Papier, das in dem Häuschen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ganz im Norden von Köln liegt.
Bedeutet: Morgen früh muss der Unimog - ein bulliges Fahrzeug, das auch überschwemmte Straßen sicher passieren kann - angeschmissen werden und nach Kasselberg fahren, um einen Bewohner abzuholen. „Wir sind hier rund um die Uhr“, verspricht DLRG-Mann Grohe. Feierabend gebe es nicht. „Wir können ja nicht sagen: Wenn es ein Problem gibt, dann müssen sie eben schwimmen.“
Kasselberg ist ein Örtchen direkt am Rhein - und es liegt noch vor der sogenannten Hochwasserschutzlinie. Das macht den Ort in Köln besonders, weil man in ihm sehr schnell merkt, wenn der Fluss anschwillt - so, wie nun schon seit Tagen. Nach und nach flutet er dann die Felder drumherum. Und der Ort wird langsam zu einer Insel.
Ob es beim aktuellen Hochwasser soweit kommt, ist am Sonntag noch fraglich - das Wasser erreicht noch nicht ganz die Zufahrtsstraße. Aber man will auf alles vorbereitet sein. Im Ort selbst steht der Rhein schon auf der Straße. Die DLRG ist dafür zuständig, die potenziellen Insulaner abzuholen oder zu ihren Häusern zu bringen. Neben dem Unimog gibt es notfalls auch noch ein Boot.
In Kasselberg lassen sich die Auswirkungen des aktuellen Rhein-Hochwassers vielleicht am besten beobachten. Allerorts stehen immer mehr Wiesen und Uferstraßen unter Wasser, immer mehr Schutz- und Hilfsmaßnahmen der Behörden laufen an. Allerdings mit großer Routine und ohne Panik, weil man vorbereitet ist und noch weit weg von einer Katastrophe. Die Situation für Anwohner ist aber vor allem eines: nervig.
„Das ist halt lästig“, beschreibt Ines Fay das vorherrschende Gefühl, wenn man das Haus über einen Steg und mit einem Unimog verlassen muss. „Aber ansonten alles gut.“ Wer in Kasselberg wohnt, lebt mit dem Wasser. Fay lebt seit zehn Jahren in dem Ort und war gerade mit dem Hund unterwegs. Ihr Haustier kann der Situation sogar Positives abgewinnen. „Wenn die Enten hier ganz nah kommen, findet er das total spannend. Er denkt wohl: Endlich komme ich mal ran.“
Viele Menschen im Rheinland nutzen den Sonntagsspaziergang, um sich einen Überblick über die Lage am Wasser zu verschaffen - vor allem jene, die nicht direkt am Flussufer leben. Eine häufige Reaktion: Huch, ganz schön voll. Am Sonntag knackt der Pegelstand in Köln die Marke von 8,30 Metern. Die Schifffahrt muss eingestellt werden. Das bringt den schon zuvor eingeschränkten Schiffsverkehr zwischen Duisburg und Koblenz praktisch zum Erliegen.
Uferpromenaden und Landungsstege stehen vielerorts unter Wasser, oft ragt nur noch ein Verkehrsschild heraus. Düsseldorf hält für den Ernstfall 40.000 Sandsäcke bereit. In Königswinter fährt die Stadtbahn am Rhein nicht, es gibt Busse als Ersatz. In der Millionenstadt Köln wurden Schutzwände errichtet, um besonders gefährdete Stadtteile trocken zu halten. Aufgrund seiner topographischen Lage gilt Köln als eine der hochwassergefährdetsten Großstädte in Europa.
Von Zuständen wie zum Beispiel 1995, als der Pegelstand in Köln 10,69 erreichte und das Wasser viele Häuser überschwemmte, ist man aber weit entfernt. Man hat aus den Überflutungen in den 80ern und 90ern gelernt und massiv in den Hochwasserschutz investiert. Zum Vergleich: Für die Altstadt würde es ab einem Pegelstand von deutlich mehr als elf Metern bedrohlich. Pegelstände jenseits der Elf-Meter-Marke gab es aber seit mehr als 250 Jahren nicht mehr.
Nach Lage der Dinge wird dieser Wert nicht annähernd erreicht. Da das Regenwetter der vergangenen Tage nachgelassen hat, wird für Anfang der Woche die Trendwende erwartet - denkbar scheint, dass der Rhein in Köln unter der Neun-Meter-Marke bleibt. Auch das würde gleichwohl bedeuten: Es fließt gerade viel Wasser den Rhein hinab.