Kleine grüne Männchen, ein Hybridkrieg und die Probleme der Nato
Brüssel (dpa) - „Kleine grüne Männchen“ machen der Nato zu schaffen. So nennen Diplomaten in der Brüsseler Bündnis-Zentrale die meist in grünes Flecktarn gewandeten Männer, die erstmals auf der Krim und dann in der Ostukraine auftauchten.
Ohne Hoheitsabzeichen auf den Uniformen, ohne Nummernschilder auf den russischen Militärfahrzeugen, ausgerüstet mit Waffen aller Art. Auch mit Panzern, die US-Geheimdienstquellen zufolge zuvor auf der Krim erbeutet wurden.
Die „kleinen grünen Männchen“ haben die Annexion der Krim durch Russland vorbereitet - und angeblich kann nicht einmal Kremlherrscher Wladimir Putin sie kontrollieren. Als eine Art bewaffnete Bürgerinitiative, getrieben von aufrichtiger Sorge um die Rechte der Russen, sieht Putin die Männer. Für die Nato werfen sie eine ganze Reihe von Fragen auf. Einige davon trieben die Außenminister am Mittwoch in Brüssel um. Und beim nächsten Nato-Gipfel Anfang September in Wales werden sich auch die Staats- und Regierungschefs mit den kleinen grünen Männchen befassen.
Für die Nato zählt, was die Männer in Grün für die Beziehungen zu Russland und damit für die eigene Sicherheit bedeuten. Bündnis-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagt, Russland habe „eine neue, andere Form der Kriegsführung gegen die Ukraine“ begonnen. Eine „nicht eindeutige Bedrohung“ sei das: „Und wir müssen sehen, wir wir langfristig damit umgehen.“ Im Nato-Staat Estland sind beispielsweise 25 Prozent der Bevölkerung ethnische Russen. Ein Diplomat sagt: „Was machen wir, wenn die kleinen grünen Männchen in Estland auftauchen?“
Was die Nato tun kann oder muss, um genau dies zu vermeiden, könnte eines der großen Streitthemen des Nato-Gipfels am 4./5. September in Newport werden. Vor allem Polen verlangt die ständige Stationierung von Kampftruppen aus anderen Nato-Staaten im Osten des Bündnisgebietes. Die meisten anderen Verbündeten lehnen das ab: Zu teuer, zu ineffizient sei das. Sie wollen lieber durch häufige Manöver und zeitweilige Verstärkungen gegenüber Russland oder russisch inspirierten „Bürgerwehren“ Flagge zeigen. Zudem könne sie von Russland als Herausforderung und als Aufkündigung einer Vereinbarung zwischen der Nato und Russland vom Mai 1997 verstanden werden.
Beim Gipfel muss auch noch eine Wunderformel gefunden werden, um die Debatte über höhere Verteidigungsausgaben der Europäer vorerst zu beenden. „Das russische Handeln ist eine Herausforderung der euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur“, referierte eine Sitzungsteilnehmerin das Meinungsbild der Nato-Außenminister. Die USA fordern, dass die Europäer sich möglichst verbindlich verpflichten, wieder mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Insgesamt seien die europäischen Nato-Staaten reicher als die USA, doch entfielen 75 Prozent aller Verteidigungsausgaben auf die USA. Von einer Verpflichtung, für die eigene Verteidigung mehr zu bezahlen, wollen die Europäer aber nichts wissen - sie sind allenfalls zu einer neuerlichen Absichtserklärung bereit.
Ein „Hybrid-Krieg“ sei das russische Vorgehen, sagen Nato-Diplomaten. Also eine sehr geschickte Mixtur aus verschiedenen Bestandteilen: Von klassischem Militäreinsatz mit plötzlichen Manövern über Desinformation und Computerangriffe bis hin zu Energieversorgung und wirtschaftlichem Druck. Ein Militärexperte in der Nato-Zentrale sagt: „Eigentlich braucht man kein neues Wort dafür: Das ist einfach eine sehr moderne Kriegführung.“ Im Kreise der Außenminister habe kein Zweifel geherrscht, dass die „kleinen grünen Männchen“ nicht vom Himmel gefallen seien, hieß es: „Alle waren sich einig, dass Russland hinter den Ereignissen in der Ostukraine steckt.“
Zur Lösung der Ukraine-Krise kann die Nato aber direkt nichts beitragen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellte vor Journalisten („Sie wissen, dass die Ukraine kein Nato-Staat ist“) klar, „dass wir unmittelbar in der Ukraine mit militärischen Mitteln nichts ausrichten können“. Stattdessen müsse der Westen „die kleinsten Chancen nutzen“, um Vertrauen zwischen Kiew und Moskau wieder herzustellen. Denn die vom ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko ausgerufene Feuerpause soll am Freitagabend enden. Kurz zuvor werden die Staats- und Regierungschefs der EU auch entscheiden müssen, ob sie Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen wollen.