Länder gegen Steuersenkungspläne
Berlin (dpa) - Bisher gibt es nur einen Grundsatzbeschluss. Die Länder machen aber Partei übergreifend schon jetzt Front und wollen Steuersenkungen nicht mittragen. Die Spitzen von CDU, CSU und FDP geben sich dennoch optimistisch.
Bis zum Herbst soll das schwarz-gelbe Konzept stehen.
Die schwarz-gelbe Koalition muss sich bei ihren Steuersenkungsplänen auf eine breite Abwehrfront der Länder einstellen. Ministerpräsidenten aller Parteien erteilten den Entlastungsplänen am Montag eine Absage. Kritik kommt auch vom Industrieverband BDI, die Opposition sprach von einer Mogelpackung.
FDP-Chef Philipp Rösler geht dennoch davon aus, dass die Länder die Koalitionspläne für niedrigere Steuern und Sozialabgaben am Ende mittragen werden. „Ich bin sehr auf die Gegenargumente der Länder gespannt.“ Für Tauschgeschäfte mit der Union bei strittigen Themen wie der Vorratsdatenspeicherung sieht Rösler keinen Anlass. Auch die CDU rechnet trotz der Länder-Kritik am Ende mit „guten Lösungen“.
Rösler und die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, hatten sich auf eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben zum 1. Januar 2013 verständigt. Der Grundsatzbeschluss soll an diesem Mittwoch zusammen mit den Haushaltsplänen im Kabinett verabschiedet werden. Bis zum Herbst wollen Union und FDP Details und Umfang der Entlastungen festlegen. Endgültig verabschiedet werden die Etatpläne Ende November - nach der neuen Steuerschätzung.
Den Konflikt mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der immer wieder vor übertriebenen Erwartungen warnt, hält die FDP nach der Grundsatzentscheidung für ausgestanden. Die Erklärung sei mit dem Minister abgestimmt, sagte Schäubles Sprecher Martin Kotthaus lediglich. Für die Pläne benötigt die Koalition auch den Bundesrat. Dort hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit und braucht die Opposition.
Die CDU hofft auf ein Einlenken der Länder. Erst im Herbst sei die Zeit gekommen, über die Größenordnung der Entlastung zu sprechen, sagte Generalsekretär Hermann Gröhe. „Bis dahin werden auch viele Gespräche mit den Ländern über die gemeinsame Einschätzung des Spielraums möglich sein, die wir führen wollen.“
Auch Rösler rechnet nicht mit einem Nein im Bundesrat. Für ihn stelle sich die Frage, ob die Ministerpräsidenten den Bürgern nichts von den Mehreinnahmen zurückgeben wollten, die sie erwirtschaftet hätten, sagte der Wirtschaftsminister. Er rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft stärker zulegen werde als bisher angenommen.
Mehrere CDU-Regierungschefs sind auf Konfrontationskurs gegangen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht sagte: „Wir brauchen keine Steuerpolitik nach unten, sondern eine Finanzpolitik nach vorn.“ Statt Steuersenkungen sollte das Steuersystem transparenter und einfacher werden.
Der Kieler Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) lehnt Steuersenkungen zulasten der Länder strikt ab. Sein Magdeburger CDU-Kollege Reiner Haseloff betonte, Bund, Länder und Kommunen seien hoch verschuldet. „Es gibt auf absehbare Zeit keinen Spielraum.“ Bayerns Ministerpräsident Seehofer hielt dagegen, wer nur auf die Schuldenbremse poche, erreiche bis Ende des Jahrzehnts keine Reform.
Im grün-rot regierten Baden-Württemberg hieß es, selbst die CDU-Ministerpräsidenten seien dagegen. Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte: „Ich wüsste nicht, wo eine Mehrheit im Bundesrat herkommen soll.“ Aus Sicht von Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz (SPD) verrechnet sich Schwarz-Gelb, wenn darauf spekuliert werde, Wählerstimmen mit Steuersenkungen kaufen zu können. Jeder ahne, dass das Geld für Steuersenkungen an anderer Stelle einkassiert werde.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) warnte, es könnten nicht gleichzeitig die Schuldenbremse eingehalten, Milliarden in die Energiewende investiert und Steuern gesenkt werden: „Es ist ärgerlich, dass Frau Merkel jetzt vor der FDP einknickt.“
Für Grünen-Chefin Claudia Roth ist es ein wenig erfolgversprechendes Manöver der Koalition, um sich auf Kosten des Haushalts über das Wahljahr zu retten. „Ich finde es unverfroren, dass eine Regierung in diesem Land glaubt, sie könnte die Bürger für so blöd verkaufen.“ SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Kanzlerin vor, den Finanzminister im Regen stehen zu lassen.
BDI-Präsident Hans-Peter Keitel sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Steuersenkungsdebatte sei ohne Not vom Zaun gebrochen worden. Nicht jeder, der sich berufen fühle, über Steuerpolitik zu reden, habe sich zuvor ausreichend bemüht, „strukturelle Lösungen für diese komplexe Materie zu erarbeiten und durchzusetzen“.