Report: Nach sieben Jahren wieder Angst in Köln

Köln (dpa) - Es herrscht Alltag in der Kölner Keupstraße. In der belebten Geschäftsstraße im Stadtteil Mülheim sind türkische Läden und Cafés gut besucht. Frauen mit Kopftüchern flanieren über den Bürgersteig, nichts deutet darauf hin, dass hier vor gut sieben Jahren eine Bombe detonierte.

Seit sich jedoch abzeichnet, dass die Tat vermutlich auf das Konto der Neonazis geht, die zwischen 2000 und 2007 auch neun Ausländer und eine Polizistin ermordet haben sollen, ist das Entsetzen zurückgekehrt. „Seit den vergangenen Tagen ist die Angst in der Keupstraße wieder allgegenwärtig“, sagt Deutsch-Türke E. Seyrani.

„Wir haben jegliches Vertrauen in die Polizei und auch die Politik verloren“, betont Seyrani. Er ist, wie viele seiner Nachbarn, in der Türkei geboren und sieht sich als Zielscheibe von Rechtsextremisten. „Wir hätten hier niemals gedacht, dass es so etwas in Deutschland noch einmal geben wird.“

Die Ereignisse vom 9. Juni 2004 haben sich ins Gedächtnis gebrannt. An dem Tag detoniert eine selbst gebaute Nagelbombe, die auf einem Fahrrad deponiert war. Am Nachmittag wird sie per Fernsteuerung gezündet. Die fingerlangen Nagelgeschosse treffen 22 Menschen, verletzen einige von ihnen schwer. Verwüstete Wohnungen und Geschäfte, Panik, Schock. Der Anschlag habe die Stadt „ins Herz getroffen“, wird Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) später sagen.

Nun sind die schrecklichen Szenen wieder präsent. „Eigentlich hatten wir die Geschichte schon vergessen. Doch jetzt kommen die grausamen Bilder wieder hoch“, berichtet Yüksel Karakus. Er arbeitet in einem türkischen Restaurant nahe am früheren Tatort. „Viele sind aber auch erleichtert, dass die Geschichte jetzt aufgeklärt wird. Allerdings bleiben viele Fragen unbeantwortet: Warum hat es so lange gedauert, die Täter zu ergreifen? Kann so etwas wieder passieren?“ Taylan Tutas, der gerade auf dem Weg in die Schule ist, hat „definitiv Angst, dass so etwas noch einmal passieren kann“.

Die Polizei suchte lange - vergeblich - nach einem unbekannten männlichen Duo. Eine Videokamera hatte die Männer kurz vor der Explosion aufgenommen. Umfangreichen Ermittlungen hielten die Fahnder über Jahre in Atem. Drei Verdächtige wurden verhört und kamen wieder frei. Erst wurde ein terroristischer Akt nicht ausgeschlossen, dann gab es 2006 eine klare Botschaft: „Wir können (...) sagen, dass ein ausländerfeindlicher Hintergrund auszuschließen ist.“ Doch genau da lag der Kölner Oberstaatsanwaltschaft Rainer Wolf wohl falsch. Wie viele andere Sicherheitsbehörden auch.

Polizei und Verfassungsschutz sind nun mit dem Vorwurf konfrontiert, den Gefahrenbereich Rechtsextremismus unterschätzt oder vernachlässigt zu haben. Der größte Schock seien Gerüchte über Fehler beim Verfassungsschutz, meint auch Seyrani. „Wenn es wahr ist, dass der Verfassungsschutz und damit der Staat irgendwie seine Finger mit im Spiel hat, erreichen wir eine neue Dimension. Wem soll man denn dann überhaupt noch trauen?“

Geht man sieben Jahre nach dem Anschlag durch die Keupstraße, ist auch das Misstrauen wieder da. „Die Menschen merken sofort, dass man nicht von hier ist“, weiß Cornelia Barendth-Höffgen, die mit ihrem türkischen Mann ein Café führt. „Wir hoffen, dass die Leute dieses Mal nicht in die gleiche Panik zurückfallen. Aber der Schock sitzt tief, wenn man die Bilder im Fernsehen wieder sieht.“