Report: Angst und Verunsicherung in „Gostambul“

Nürnberg/München (dpa) - Ramsch neben Brautmoden, Döner neben Reisebüros - in den türkischen Läden am Nürnberger Plärrer laufen die Geschäfte gut. Der Basar ist das Einkaufszentrum für viele Türken aus dem benachbarten „Gostambul“, wie manche den Stadtteil Gostenhof wegen des hohen Türkenanteils nennen.

Die jüngsten Nachrichten von der Neonazi-Mordserie haben bei etlichen türkischen Geschäftsleuten wieder böse Erinnerungen an die Mordserie in ihrer Stadt geweckt: Binnen fünf Jahren waren damals drei ihrer Kollegen kaltblütig erschossen worden. Viele hatten sich damals angstvoll gefragt, wer von ihnen wohl der nächste sei.

Die Nachricht, dass mit der Aufklärung des Heilbronner Polizistenmordes endlich auch Licht in die Mordserie in Nürnberg und München gekommen ist, löst in der türkischen Geschäftsszene rund um den Plärrer gemischte Gefühle aus. Einerseits sorgt die Nachricht für Erleichterung; dass hinter den kaltblütigen Morden eine neonazistische Terrorgruppe steckt, macht viele aber auch wütend und ratlos. Für Serhan Can, der in einem Kopierladen in der Nürnberger Südstadt arbeitet, ist vor allem eins irritierend: „Dass die Polizei solange für die Aufklärung der Morde gebraucht hat. Sonst ist die Polizei doch bei Morden viel schneller.“

Andere Geschäftsleute werfen der Kripo mehr oder weniger offen vor, bei ihrer Suche nach den Tätern zu einseitig ermittelt zu haben - auch Süleyman Karaaslan. Der türkische Bauunternehmer mit 40 Mitarbeitern war selbst mehrfach mit den Kripoermittlungen in Sachen „Dönermorde“ konfrontiert: „Sie haben uns immer wieder nach Schutzgelderpressungen der türkischen Mafia befragt. Doch da war nichts. Warum haben sie nicht mal bei den Neonazis nachgeschaut?“, fragt sich Karaaslan heute.

Der türkischstämmige Nürnberger Ibrahim Kabayel sieht mit dem Fall sein Vertrauen in deutsche Sicherheitsbehörden erschüttert. „Ich fühle mich nicht mehr sicher. In Deutschland, so hat es doch immer geheißen, gibt es die besten Nachrichtendienste.“ Davon könne jetzt wohl kaum noch die Rede sein. Dass die Verbrechen der Neonazis-Bande so lange unaufgeklärt blieben, hat für ihn zwei Gründe: „Entweder die Nachrichtendienste waren unfähig oder sie haben absichtlich etwas vertuscht.“

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg, Sefik Alp Bahadir, mag es noch gar nicht recht glauben, dass Neonazis hinter den insgesamt fünf Mordanschlägen auf türkische und griechische Geschäftsleute in Bayern stecken sollen. „Wenn das wirklich so ist, wäre das für uns ein Schock. Dagegen müssen wir protestieren“, betont er. Bahadir, dessen Verband nach eigenen Angaben 26 türkische Vereine im Großraum vertritt, denkt bereits an eine Demonstration aller türkischen und islamischen Gruppen in der Region. Gerade Türken würden seit ein paar Jahren wieder stärker diskriminiert. Nur habe das kaum ein Politiker wahrgenommen. „Das ist einfach bagatellisiert worden“, beklagt sich der Vereinschef.

Besorgt ist man über die aktuellen Berichte auch in München, wo allein zwei ausländische Kleinunternehmer ermordet wurden. „Ich habe nie an solche Motive gedacht“, sagt der Leiter des Griechischen Hauses, Constantinos Gianacacos, am Dienstag. Am 15. Juni 2005 war in München ein 41-jähriger Grieche erschossen worden - weniger als einen Kilometer entfernt vom Griechischen Haus. Im Jahr 2001 war ein türkischer Gemüsehändler das Opfer. „Diese Leute gehen zehn Jahre unbehelligt durch die Gegend und knallen Leute ab“, sagt Gianacacos. Das sei nicht hinnehmbar. „Wir brauchen den staatlichen Schutz.“ Den fordern inzwischen auch einige Geschäftsleute in Nürnberg. „Seit ein paar Tagen habe ich Angst, dass ein Neonazi plötzlich die Tür reinkommt“, beschreibt Bauunternehmer Karaaslan seine Gefühle.

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