Viele Zyprer haben ein differenziertes Bild von Deutschland
Nikosia (dpa) - Bundeskanzlerin Merkel mit Hitler-Bart, Finanzminister Schäuble als Zuchtmeister der Finanzwirtschaft in Europa: Bei Demonstrationen und in den griechisch-zyprischen Medien werden mitunter alle Register gezogen, um die als Diktat empfundenen deutschen Forderungen zu kritisieren.
Im Alltag auf den Straßen zeigt sich das Meinungsbild deutlich differenzierter. Auch auf dem vorläufigen Höhepunkt der Bankenkrise konnten sich Deutsche in den vergangenen Tagen stundenlang auf den Straßen bewegen, ohne Anfeindungen zu erleben oder ungefragt mit Kritik an der Regierung in Berlin konfrontiert zu werden.
„Wir wissen, dass Merkel wohl ihre Wahlen verlieren würde, wenn sie Geld in einem Fass ohne Boden versenken würde“, meint eine Geschäftsfrau in Nikosia. „Wir können das verstehen. Aber die Einschnitte sind nun sehr hart. Auf der anderen Seite gibt es wohl auch in Deutschland viele arme Menschen, die für Hilfen kein Verständnis haben.“
„Meine Wut ist so groß. Auf unsere Politiker, unsere Banken, auch auf mich selbst“, sagt Kyriakos Angelides, ein Mitarbeiter eines zyprischen Wirtschaftsverbandes. „In meinem Kopf ist aber die Vorstellung einer Verschwörung entstanden.“ Dabei hab er deutsche Gesprächspartner und ihre Kenntnisse in den vergangenen Jahren schätzen gelernt. „Niemand sonst geht Probleme mit so großer Ernsthaftigkeit an. Ich habe so großen Respekt vor den Deutschen.“
Die Zeitung „Fileleftheros“ nahm die Situation und die empfundene Übermacht der Deutschen am Freitag mit einer doppeldeutigen Karikatur auf dem Titelblatt aufs Korn. „Wen hast Du gewählt? Den (linken Politiker) Malas oder den (konservativen Präsidenten) Anastasiades“, fragt in der Zeichnung ein Gast in einem Cafe. Der Ober antwortet: „Schäuble.“