Angst lähmt die Aktienmärkte
Stagflation: Inflation und ein schwaches Wachstum drücken die Börsenkurse. Die Notenbanken haben keine Patentrezepte.
Hamburg/Frankfurt. Der Ölpreis kennt nur noch eine Richtung: nach oben. Gestern durchbrach er erstmals die Marke von 140 Dollar je Barrel (159 Liter). Auch die deutschen Verbraucher ächzen unter den hohen Kraftstoffpreisen. Die Mineralölkonzerne triebn gestern mit einer neuen Preisrunde die Benzin- und Dieselpreise auf ein neues Rekordniveau.
Als Grund für den scheinbar unaufhaltsamen Ölpreisanstieg nannten Analysten gestern die Dollar-Schwäche gegenüber dem Euro. Öl wird in der US-Währung bezahlt, weshalb ein schwächerer Dollar die Ölnachfrage aus Nicht-Dollar-Ländern weiter ankurbelt.
Die Lage an den Ölmärkten und die damit verbundenen hohen Inflationsraten belasten zunehmend auch die Aktienkurse weltweit. Der deutsche Aktienindex Dax ging gestern vormittag aufgrund schlechter Vorgaben aus Asien auf rasante Talfahrt und erholte sich erst gegen Abend wieder von seinem Kursverlusten. Er schloss am Ende bei 6422 Punkten. Das war ein Minus von 0,59 Prozent. Insgesamt hat der Dax seit Jahresanfang rund 18 Prozent verloren.
Das Schlüsselwort, das an der Börse nun immer öfter fällt, heißt Stagflation: schwaches Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Inflation. Genau dieses Phänomen könnte weite Teile der Welt erfassen, vor allem die USA und Europa. Denn zusammen mit den steigenden Lebensmittelpreisen treibt der hohe Ölpreis die Inflation immer weiter in die Höhe. Nach ersten Schätzungen hat sie im Juni allein in Deutschland bei 3,3 Prozent gelegen. Weil die Verbraucher nun ihr Geld zusammenhalten, droht auch der Konjunktur eine Talfahrt.
Das Problem mit dieser Stagflation ist, dass sie sich nur schwer bekämpfen lässt. Und das verunsichert die Aktienmärkte. Die Notenbanken stecken in einem Dilemma: Normalerweise würden sie die Zinsen erhöhen, um so die Inflation zu dämpfen. Bei Stagflation jedoch sind der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Hände gebunden: Höhere Zinsen würden das ohnehin schon schwache Wirtschaftswachstum abwürgen. Dennoch sieht es so aus, als dass die EZB in der kommenden Woche die Zinsen steigen lassen könnte, weil sie die Teuerungsrate als das drängendste Problem ansieht. Das hatte EZB-Chef Jean-Claude Trichet angedeutet. Der EZB-Rat der nationalen Notenbankchefs war bei dieser Frage allerdings zerstritten.