Arcandor tief in den roten Zahlen

Herbe Verluste bei der Warenhaustochter haben den Essener Konzern in die Verlustzone gedrückt.

Frankfurt. Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der als Sanierer zum damaligen Karstadt-Quelle-Konzern gekommen war, verabschiedet sich mit einer tiefroten Bilanz von dem Touristik- und Warenhauskonzern. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2007/2008 (30.9.) summierten sich die Verluste auf 746 Millionen Euro. Eine "dramatische Entwicklung" der Warenhaustochter-Karstadt, so Middelhoff, habe unter anderem zu dieser Entwicklung geführt.

Bei Karstadt seien "die Kosten aus dem Ruder gelaufen", sagte der Arcandor-Vorstand. Er gab zu, auf diese Entwicklung zu spät reagiert zu haben. Der Konzern habe zu diesem Zeitpunkt in Fusionsverhandlungen gestanden, so dass "ich es nicht für günstig hielt, den Warenhauschef zu diesem Zeitpunkt auszutauschen", sagte Middelhoff am Montag bei der Bilanzvorlage.

"Das war allein mein Fehler." Middelhoff (55) verlässt Ende Februar 2009 vorzeitig das Unternehmen und wird durch den jetzigen Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick ersetzt.

Bei Karstadt stand 2007/2008 unter dem Strich ein Verlust von vier Millionen Euro, nachdem im Vorjahr noch ein Gewinn von 152 Millionen Euro (bereinigtes Ebitda) angefallen war. Ausschlaggebend seien laut Middelhoff das schwache Weihnachtsgeschäft und eine verfehlte Rabatt-Politik gewesen.

Das bereits gestartete Effizienzprogramm soll für Karstadt die Wende bringen: So leisten allein die Mitarbeiter durch Lohnverzicht in den kommenden drei Jahren einen Kostensenkungsbeitrag von 77 Millionen Euro. Insgesamt sollen im laufenden Geschäftsjahr 147 Millionen Euro eingespart werden.

Für 208/2009 stellte Karstadt-Finanzvorstand Thomas Töpfer noch keine Gewinne in Aussicht, erst im kommenden Geschäftsjahr 2009/2010 werde die Warenhaustochter wieder schwarze Zahlen schreiben.

Trotz des jüngsten Desasters bei Karstadt sieht Middelhoff Arcandor auf einem guten Weg: "Das operative Ergebnis zeigt, dass die strategische Neuausrichtung Früchte trägt." Das bereinigte operative Ebitda des Konzerns stieg um 133 Millionen auf 820 Millionen Euro.

Zu verdanken ist der Anstieg insbesondere der Touristik-Tochter Thomas Cook, die 60 Prozent des Umsatzes und sogar 90 Prozent des operativen Ergebnisses beisteuert. Die Versandhandelstochter Primondo (Quelle) leistete mit 90 Millionen Euro erstmals seit Jahren ebenfalls wieder einen positiven Ergebnisbeitrag.

Middelhoff, der mit dem Verkauf der Karstadt-Immobilien und Einzelhandelstöchter (SinnLeffers, Wehmeyer, Hertie) die Verschuldung von Arcandor in den vergangenen drei Jahren deutlich zurückgeführt hatte, musste im abgelaufenen Geschäftsjahr wieder deutlich höhere Schulden aufnehmen. Die Nettofinanzverbindlichkeiten schnellten auf 802 Millionen Euro hoch, nachdem im Vorjahr noch ein Vermögen von 185 Millionen Euro ausgewiesen worden war.

Rechnet man das Vermögen von Thomas Cook heraus, liegen die Arcandor-Schulden sogar bei 944 Millionen Euro. Dem steht ein Nettofinanzvermögen von 142 Millionen Euro gegenüber. Erklärungen für die hohe Neuverschuldung musste Finanzvorstand Peter Diesch liefern, der Arcandor zum Jahresende verlässt. Restrukturierungskosten sowie Akquisitionen von Thomas Cook seien die Gründe für die höhere Verschuldung.

Für das kommende Jahr bestätigte der Arcandor-Chef trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds die Prognose von 1,1 Milliarden Euro für das bereinigte Ebitda. Voraussetzung sei aber, dass sich das Ausmaß der Kapitalmarktkrise nicht signifikant verstärke und die Rezession nicht über das prognostizierte Maß hinausgehe.

Fragen zur künftigen Strategie und danach, ob möglicherweise doch wieder eine Fusion von Karstadt und der Metro-Tochter Kaufhof aktuell werden könnte, ließ Middelhoff unbeantwortet. Das wolle er seinem Nachfolger überlassen. Er sei jedoch davon überzeugt, dass die nachhaltige Gesundung der Warenhausgeschäfte von der Konsolidierung der gesamten Branche abhänge, schob er dann aber doch noch hinterher.

Der letzte große Auftritt von Thomas Middelhoff als Arcandor-Chefwar eher untypisch für ihn. Der sonst immer strahlende,erfolgsverwöhnte Manager, der oft und gerne im Mittelpunkt steht undgroße Ankündigungen macht, ließ bei der Bilanzvorlage am Montag lieberanderen den Vortritt. Zu Wort kamen in erster Linie sein Finanzvorstandund die Vorstände der Konzerntöchter.

Zu bitter waren wohl die Fakten, die auf den Tisch kamen: HoheVerluste, ansteigende Schulden, eine dünner werdende Eigenkapitaldeckeund ein katastrophaler Aktienkurs. Fakten, die so gar nicht inMiddelhoffs Bild passen von der Arcandor-Sanierung, die nach seinereigenen Einschätzung trotz allem doch geglückt ist.

Er gibt zwar einpaar Fehler zu, doch im Großen und Ganzen steht Arcandor, glaubt manMiddelhoff, heute doch viel besser da als bei seinem Amtsantritt 2005.Diese Einschätzung aber werden nur wenige teilen, denn eine solideBasis hat der Konzern bis heute nicht gefunden.

Zwar hatte Middelhoffeine gute Hand, als er die Immobilien des Konzerns noch vor dem Platzender Blase verkaufte und so Geld in die Kassen des klammen Konzernsspülte. Auch der Verkauf der Töchter Wehmeyer, Hertie und SinnLeffers -die in diesem Jahr Insolvenz anmelden mussten - hat Karstadt eineZentnerlast abgenommen. Doch eine tiefgreifende Sanierung sieht andersaus.

Arcandor hängt nach wie vor am Tropf der Banken. Ohne den Einstiegdes neuen Großaktionärs Sal. Oppenheim wäre es schon im Septemberwieder richtig eng geworden für den Konzern. Allein in diesem Jahr hatMiddelhoff Milliarden seiner Aktionäre verbrannt. Der einzige richtigeGewinnbringer ist die Touristiktochter Thomas Cook. Der als Sanierergeholte Middelhoff hinterlässt seinem Nachfolger Karl-Gerhard Eickeinen Sanierungsfall.

annette.ludwig@wz-pus.de