Hebel für eine bessere Zukunft

In Düsseldorf werden Unternehmen für nachhaltiges Wirtschaften geehrt. Prinz Charles per Videobotschaft zugeschaltet.

Düsseldorf. "Wer von Ihnen glaubt, dass es Ihnen besser geht als Ihren Großeltern?" Fast alle Gäste im Tagungssaal des Düsseldorfer Maritim-Hotels heben die Hand. Und als dann Hans Joachim Schellnhuber, einer der weltweit renommiertesten Klimaforscher, seine zweite Frage stellt, bleiben die meisten Hände unten: "Wer von Ihnen glaubt, dass es Ihren Enkeln besser gehen wird als Ihnen?" Das Abstimmungsergebnis macht es mehr als deutlich: Dass wir nachhaltig leben, glauben die wenigsten.

Dabei haben sich die Entscheidungsträger zahlreicher Wirtschaftsunternehmen doch gerade an diesem Tag getroffen, um sich für ihr nachhaltiges Marktverhalten preisen zu lassen. Und dann dieser Spiegel, der ihnen vorgehalten wird.

Kurze Zeit später schlägt auch Prinz Charles, der sich per Videobotschaft für den ihm zugedachten Ehrenpreis bedankt, in die gleiche Kerbe. Der Thronfolger, der sich gegen das Abholzen der Regenwälder einsetzt, warnt: Nehmen wir bloß nicht die Finanzkrise als Vorwand, Bemühungen um den Umwelt- und Klimaschutz aufzuschieben. Seine Parallele: "Zur Finanzkrise kam es, weil Schulden angehäuft wurden nach dem Motto: heute konsumieren, morgen bezahlen." Ein vergleichbares Schuldenmachen - nämlich das Leben auf Kosten der Umwelt - habe auch zu der ökologischen Krise geführt. Es gebe nur einen gewichtigen Unterschied, mahnt der grüne Prinz: "Finanzspritzen werden da nicht mehr helfen. Wenn wir erst unser natürliches Kapital verspielt haben, kann es durch nichts mehr ersetzt werden."

Immerhin, so gesteht auch der Prinz in dem Video, das ihn auf einem roten Sessel vor dem Kamin zeigt, den Veranstaltern zu: Die Richtung stimmt, die mit der Verleihung des Nachhaltigkeitspreises verfolgt wird. Mit der Initiative des TV-Journalisten Stefan Schulze-Hausmann werden Unternehmen geehrt, bei denen wirtschaftlicher Erfolg mit sozialer und ökologischer Verantwortung einhergehen.

Bei Preisträgern wie dem Papierrecycler Steinbeis, dem Bonner Sonnenenergie-Unternehmen Solarworld oder auch Hess, dem Hersteller von Natur-Textilien, ist das nachvollziehbar. Doch wie ist es mit den auch gepriesenen Firmen Henkel oder BASF? Oder dem Hausgeräte-Hersteller Bosch und Siemens? Bei letzterem leuchtet es noch ein. Eines der Argumente: Der Stromverbrauch für Kühlschränke sank um 81 Prozent gegenüber 1990. Wasch- und Spülmaschinen verbrauchen zwei Drittel weniger Wasser als vor 15 Jahren. Aber die Chemieriesen oder auch der Autohersteller VW? Hier kam die Jury offenbar zu der Ansicht, dass genug getan wird, um Belastungen für Umwelt und Verbraucher möglichst gering zu halten.

Aber die Preise, das betont Volker Hauff, früher mal Forschungsminister und heute Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, sollen auch Ansporn für die Konkurrenz sein: "Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor."

Wie ein Fremdkörper unter den Preisträgern mag auch der Wuppertaler Versicherer Barmenia wirken. Doch dessen Marketing-Mann Jürgen Brebach ist um eine Rechtfertigung nicht verlegen. "Eine Versicherung ist doch ein Versprechen für die Zukunft." Und: Es würden nachhaltige Versicherungsprodukte, insbesondere im Bereich der Naturheilverfahren, angeboten. Und: Das Unternehmen beteiligt sich an Initiativen in Schulen, Verbänden und an der Uni.

Man sieht: Der Begriff der Nachhaltigkeit ist ein sehr weiter. Wie weit, das zeigt auch die Ehrung für Annie Lennox, die einen Preis erhält, weil sie "eine Stimme gegen Armut und Krankheit" ist. Wie kaum ein anderer Preisträger zieht die schottische Sängerin ihre Zuhörer in ihren Bann, als sie von einem siebenjährigen todgeweihten Mädchen in Südafrika erzählt und dies mit anrührenden Bildern unterlegt: HIV-positiv, weil es sich schon im Mutterleib ansteckte. Das abgemagerte Wesen, das so viel wiegt wie ein Kleinkind und trotz seines Leids so viel lächelt. Nachdem eine ärztliche Behandlung gesichert ist, fliegt Lennox ein halbes Jahr später wieder nach Südafrika, trifft das erholt aussehende Kind. Ein Freudentaumel. Ein gerettetes Leben. Nachhaltigkeit. Ganz persönlich.