Die Luft für Pierer wird dünn

Auch wenn nur wegen einer Ordnungswidrigkeit ermittelt wird, drohen Regressforderungen des Konzerns.

München. Der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer ist in der milliardenschweren Schmiergeld-Affäre noch nicht aus dem Schneider. Auch wenn die Staatsanwaltschaft vorerst keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen den 67-Jährigen führt, drohen ihm und anderen Mitgliedern der ehemaligen Führungsspitze möglicherweise hohe Schadenersatzforderungen des Konzerns.

Die Siemens-Aufseher dürften ihre Entscheidung über Regressansprüche weitgehend unabhängig von den Einschätzungen der Ermittler treffen. Denn ihnen sitzt nicht zuletzt die US-Börsenaufsicht SEC im Nacken, die milliardenschwere Strafen gegen Siemens verhängen könnte.

Auch wenn Pierer nun lediglich wegen einer Verletzung seiner Aufsichtspflichten belangt werden könnte, bleibe die Luft für den einstigen "Mister Siemens" dünn, sagt ein Beobachter.

Schon seit Monaten schlagen die Spekulationen um Pierers Rolle in der Schmiergeld-Affäre, die den Konzern in seine bisher tiefste Krise gestürzt hatte, hohe Wellen.

Dabei galt nicht nur bei Korruptionsexperten, sondern auch bei Aktionärsschützern als "schwer vorstellbar", dass ausgerechnet der einst oberste Konzernlenker und Chef-Aufseher von Siemens von den schwarzen Kassen nichts gewusst haben soll.

Der frühere Top-Manager hat einen tiefen Fall hinter sich und war zuletzt immer stärker ins Abseits geraten, eine persönliche Verstrickung in den Schmiergeld-Sumpf wies er dabei stets zurück.

Rund 13 Jahre stand er an der Spitze des Konzerns, in dem er sein ganzes Berufsleben verbracht hat, vor einigen Jahren war der promovierte Jurist sogar als Kandidat für das Bundespräsidentenamt gehandelt worden. Zuletzt ging jedoch nicht nur die Bundesregierung auf Distanz zu Pierer: Nachdem er Kanzlerin Angela Merkel jahrelang in Innovationsfragen beraten hatte, nimmt er diese Aufgabe künftig nicht mehr wahr.

Auch Siemens selbst rückte merklich von ihm ab: "Wir sprechen direkt mit der Staatsanwaltschaft und Herr von Pierer spricht über seine eigenen Angelegenheiten", erklärte kürzlich der für Korruptionsbekämpfung und Rechtsfragen zuständige Siemens-Vorstand Peter Solmssen.

Siemens-Chef Löscher machte gestern unmissverständlich klar, dass bei Verfehlungen früherer Führungskräfte mögliche Schadenersatzansprüche geprüft würden. Den Namen von Pierer nahm er dabei nicht in den Mund und erklärte, zu einzelnen Personen sage er nichts. Stattdessen betonte Löscher die Geschlossenheit des heutigen Vorstands und Aufsichtsrats: "Beide haben keine Vergangenheit zu verteidigen."

Aufbruch und nach vorn blicken, das ist Löschers Devise. Und der Österreicher machte auch klar, dass er nicht in die Fußstapfen seines Vorvorgängers von Pierer treten und nach seiner Amtszeit an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln will. "Dies werde ich eindeutig ausschließen", falls ihm diese Position angeboten werden sollte. Dies würde nicht seinem Verständnis von Corporate Governance entsprechen.

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