Fragen-Analyse: Hilfspaket verschafft den Griechen eine Atempause
Die Euro-Finanzminister geben nach Marathon-Verhandlungen grünes Licht für das zweite Rettungspaket — Private Gläubiger wollen dem Staat Schulden erlassen
Brüssel. Aufatmen in Athen und Brüssel: Nach monatelangem Ringen steht das zweite Notkredite-Paket für Griechenland. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen aus den Euro-Staaten einigten sich am frühen Dienstagmorgen nach fast 14-stündigen Verhandlungen darauf, den Schuldenstaat bis 2014 mit neuen Finanzspritzen vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.
Wie viel Geld braucht Griechenland?
Das zweite Hilfspaket ist wie von den Europäern angepeilt 130 Milliarden Euro schwer. Griechenland wird daraus Notkredite erhalten, um Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können — vor allem das Begleichen von Schulden.
Der Bundestag und die anderen nationalen Parlamente müssen dem zweiten Hilfspaket für Griechenland noch zustimmen. In Deutschland soll das am Montag geschehen.
Ist das die ersehnte Rettung?
Nein. Die neuen Finanzhilfen verschaffen Griechenland lediglich einige Jahre Zeit, die Finanzmisere mit schmerzhaften Sparplänen, Verwaltungs- und Wirtschaftsreformen zu beenden. Daher ist der Rettungsweg risikobehaftet. Das zeigt die jüngste Schuldenanalyse der EU, der Europäischen Zentralbank (EZBI und des Internationalen Währungsfonds IWF.
Was ist das Ziel des neuen Hilfspakets?
Griechenland soll mittelfristig wieder regulär Geld zu tragbaren Bedingungen an den Finanzmärkten — also bei Banken oder Versicherern — borgen können. Dazu soll die Schuldenlast bis 2020 auf 120,5 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung sinken. Derzeit beträgt der Schuldenstand mehr als 160 Prozent. Sorgenvoll blicken Experten derweil auf Griechenlands Wirtschaft. Sie dürfte 2012 das fünfte Jahr in Folge schrumpfen.
Woher kommen die Finanzhilfen?
Notkredit-Geber sind — wie beim ersten Hilfspaket für Griechenland vom Mai 2010 — die Europäer und der IWF. Die neuen Finanzhilfen der Europäer sollen jetzt erstmals aus dem Rettungsfonds für klamme Euro-Staaten kommen. Dieser Fonds leiht sich das nötige Geld an den Finanzmärkten. Deutschland und die anderen Staaten bürgen dafür.
Der IWF stemmt eventuell deutlich weniger Finanzhilfen für Griechenland als bisher. Der Internationale Währungsfonds will darüber im März entscheiden. Zum ersten Notkredite-Paket steuert er ein Drittel bei.
Verlangen die Notkredit-Geber Gegenleistungen?
Ja. Griechenland, das jahrzehntelang über seine Verhältnisse lebte, muss weiter Ausgaben kappen, seinen Staatsapparat und den Arbeitsmarkt reformieren sowie seine Wirtschaft auf Vordermann bringen. Die Europäer wollen die griechische Regierung dabei strenger überwachen.
In den vorigen Monaten gerieten die Auszahlungen der vierteljährlichen Notkredite immer mehr zur Hängepartie, da Griechenland nicht alle Spar- und Reform-Vorgaben erfüllte.
Die Euro-Finanzminister vereinbarten zudem wie von Deutschland gefordert, eine Art Sperrkonto einzurichten. Das soll gewährleisten, dass Griechenland vorrangig Schulden begleicht. Das stellt, hoffen die Europäer, zerstörtes Vertrauen möglicher Geldgeber in den Staat wieder her.
Verzichten Griechenlands Gläubiger auf Schulden?
Ja. Als Anreize sind 30 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket für private Gläubiger Griechenlands — Banken, Versicherer oder Investmentfonds — gedacht. Sie sollen dem Staat rasch 53,5 Prozent der Schulden erlassen — 107 Milliarden Euro. Angepeilt waren zuerst lediglich 50 Prozent (100 Milliarden Euro). Da die Gläubiger auch niedrigere Zinsen in Kauf nehmen, erlassen sie Griechenland unterm Strich insgesamt bis zu 74 Prozent der Schulden.
Die Notenbanken der europäischen Staaten — die öffentlichen Gläubiger — erklären sich wohl bereit, Zinsgewinne aus griechischen Schuldverschreibungen nicht zu behalten. Das Geld soll stattdessen in Griechenlands Sanierung fließen.