Hauptversammlung: Telekom-Chef ausgepfiffen

René Obermann gerät in die Schusslinie von Mitarbeitern und Aktionären. Er will an seinen Umbauplänen aber festhalten.

Köln. So hatte sich der neue Telekom-Chef René Obermann (44) seine erste Rede auf einer Hauptversammlung wohl nicht vorgestellt: Immer wenn er auf die wichtigen Themen Sparen, Service und Personalumbau kam, erntete er Pfiffe und Buhrufe. Unter die 8500 Aktionäre hatten sich auch rund 1000 Mitarbeiter des rosa Riesen, legitimiert durch ihre Belegschaftsaktien, gemischt. Sie funktionierten das Aktionärstreffen stundenlang zu einer Betriebsversammlung um. Parallel zur Hauptversammlung in der Köln-Arena legten tausende Beschäftigte aus Protest gegen die geplante Auslagerung von 50 000 Mitarbeitern in den Servicebereichen erneut die Arbeit nieder. Nach fünf Verhandlungsrunden hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das letzte Tarifangebot der Telekom abgelehnt und will heute die Weichen für eine Urabstimmung stellen. Die Telekom-Führung hatte eine Lohnkürzung von neun Prozent, eine Erhöhung der Arbeitszeit um vier auf 38 Stunden sowie eine Verlängerung der Arbeitsplatzgarantie bis 2011 angeboten. Kommt der Streik, wäre er der größte Arbeitskampf der Beschäftigten seit der Telekom-Privatisierung vor zwölf Jahren.

Obermann: Die Tür für eine Einigung mit Verdi bleibt offen

"Wir wollen weiterhin eine Einigung erzielen, die wirtschaftlichen Service und sichere Arbeitsplätze miteinander verknüpft", rief Obermann - ebenfalls von Pfiffen begleitet - den Aktionären zu. Mit den Auslagerungen, die für die Beschäftigten mit Mehrarbeit und Gehaltsverzicht verbunden sind, will der frühere Staatskonzern bis 2010 pro Jahr 4,2 bis 4,7 Milliarden Euro sparen, im laufenden Jahr bereits zwei Milliarden. "Die Tür für eine Einigung mit Verdi bleibt offen", betonte Obermann. Gleichzeitig kündigte er jedoch eine härtere Gangart und einen klugen Schachzug an. So wollen Vorstand und Management den bisherigen Ankündigungen zum eigenen "Sparen für Service" jetzt auch Taten folgen lassen: "Der Vorstand hat beschlossen, in diesem Jahr auf jeweils ein Monatsgrundgehalt zu verzichten", sagte Obermann. Er als Vorstandschef verzichte auf zwei Monatsgrundgehälter, was etwa einem Betrag von 200 000 Euro entspricht. "Damit will ich meiner besonderen Verantwortung gerecht werden", sagte er. Auch die Führungskräfte sollen noch um einen weiteren Beitrag über die bisherige Nullrunde hinaus gebeten werden. Man sei sich der schwierigen Anforderungen an die Mitarbeiter bewusst und wolle Solidarität zeigen. Den Druck auf Verdi erhöhte Obermann mit der Ankündigung, sich jetzt verstärkt auch mit einem möglichen Verkauf von Teilen der drei Servicebereiche an Drittanbieter auseinandersetzen zu müssen. "Das wollen wir nicht, und genau das würden wir auch weiterhin gerne vermeiden", sagte der Telekom-Chef. Wegen des steigenden Zeit- und Kostendrucks müsse man aber zügig agieren. Bereits in den vergangenen Monaten hatte die Telekom einige ihrer Call-Center verkauft. Unterstützung für seine Umbaupläne erhielt Obermann von den Aktionärsschützern. DWS-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen lobte ihn für die Bereitschaft, die lange verschleppten Probleme bei der Telekom anzupacken. Als Vertreterin der Belegschaftsaktionäre prangerte Betriebsrätin Kornelia Dubbel das seit "zwölf Jahren falsche Management" an. Es sei nicht in der Lage gewesen, produktives Arbeiten zu ermöglichen. Dubbel: "Es ist nur den Mitarbeitern zu verdanken, dass die Organisation nicht zusammengebrochen ist". Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel bat sie, ihre Anmerkungen zu lassen und richtige Fragen zu stellen.

Kommentar: Buhmann

Ingo Faust (Westdeutsche Zeitung)
Innerhalb weniger Wochen ist der neue Telekom-Chef René Obermann vom Hoffnungsträger zum Buhmann verkommen. Nicht einmal Ex-Vorstandschef Ron Sommer, der das Anlagegeld der T-Aktionäre "verjubelte", ist dafür so ausgepfiffen und ausgebuht worden. Dabei zeigt Obermann sogar Verständnis für den Unmut der Belegschaft über die geplanten Einschnitte. Aber ändern kann und will er sie nicht. Für ihn steht das gesamte Unternehmen auf der Kippe und droht in die Hände von "Heuschrecken" zu fallen, falls nicht endlich auf die Kostenbremse getreten wird. Denn aus Sicht der Kunden ist die Telekom was den Service anbelangt nicht nur schlecht, sondern auch teurer als die privaten Konkurrenten. Das muss endlich geändert werden!

Die Gewerkschaft Verdi, die mit Telekom-Wettbewerbern Tarifverträge zu erheblich günstigeren Bedingungen abgeschlossen hat, soll an der wettbewerblichen Schieflage der Telekom mitverantwortlich sein. Alle sollten deshalb nochmals an den Tisch. Ein Streik bringt nichts, er kostet nur.