Japans Autobauer unter Zeitdruck
Mit jedem Tag, an dem die Bänder stillstehen, schrumpfen die Vorratslager.
New York. Die wahre Katastrophe droht der japanischen Autoindustrie erst noch. Das Erbeben und der Tsunami haben zwar die Produktion weitgehend zum Stillstand gebracht.
Doch noch gibt es genügend Autos, die fix und fertig auf Halde stehen und auf Kundschaft warten. Es gibt auch noch genügend Teile, um neue Autos zu bauen. Erst wenn dieser Puffer aufgebraucht ist, kommen die wahren Schwierigkeiten.
„Auch in der Autoindustrie gibt es Lager“, sagt Christoph Stürmer von der Beratungsfirma IHS Global Insight. „Die Zeit läuft aber gegen die japanischen Hersteller.“
Bis zu vier Wochen Produktionsausfall könnten die Konzerne im restlichen Jahr noch ausgleichen, vor allem durch zusätzliche Schichten. Das zeigten die Erfahrungen aus vergangenen Streiks. „Danach wird’s kritisch.“
In den meisten Autofabriken in Japan herrscht derzeit gespenstische Ruhe. Die Bänder stehen still, die Mitarbeiter kümmern sich um ihre Familien. Die verbliebenen Mannschaften reparieren die Schäden, die das Erdbeben und der Tsunami angerichtet haben.
Die Fabriken von Honda, Suzuki und Mazda nehmen die Arbeit frühestens Anfang kommender Woche wieder auf; Toyota will seine Endmontagewerke erst Mitte der Woche wieder öffnen.
Nach Ansicht von Experte Stürmer hapert es vor allem an der Verfügbarkeit von elektronischen Bauteilen, ohne die ein modernes Auto keinen Pieps tut. Die Produktionsanlagen für die empfindlichen Chips hatten sich beim Beben automatisch abgeschaltet und Stromausfälle wegen der Atomkatastrophe erschweren den Neustart. „Es ist sehr schwierig, die Bauteile anderswo auf der Welt zu beschaffen“, erläutert Stürmer.
Nach Angaben des Branchendienstes Ward’s exportieren die japanischen Autobauer pro Jahr 1,7 Millionen Autos in die USA, knapp 940 000 nach Europa und gut 580 000 in den Nahen Osten. Selbst heute kommen noch täglich riesige Transportschiffe mit frischer Ware in den Häfen an — sie hatten noch vor der Katastrophe abgelegt.
Die Lücke tut sich damit erst in ein paar Wochen auf. Die deutschen oder amerikanischen Autobauer sollten sich aber nicht zu früh freuen, dass die Kunden der Japaner zu ihnen überlaufen, sagt Experte Stürmer. Dafür sei die Branche viel zu verzahnt. „Schauen wir uns mal Porsche an“, erläutert Stürmer beispielhaft, „die kriegen ganze Getriebe aus Japan geliefert.“