Neue Griechenland-Hilfe nicht sicher

Brüssel/Athen (dpa) - Ein neues milliardenteures Hilfspaket für den Schuldensünder Griechenland ist nach Informationen aus Brüssel noch lange nicht unter Dach und Fach.

„Eine mögliche Vereinbarung müsste von den Euro-Finanzministern fertig verhandelt und angenommen werden“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel. Das nächste Treffen der Euro-Finanzchefs ist für den 20. Juni angesetzt. Griechenland soll verschärfte Sparziele umsetzen. Athen räumte am Montag Rentenzahlungen für rund 4500 bereits verstorbene Pensionäre ein. Koalitionspolitiker in Berlin reagierten mit Empörung.

In der schwarz-gelben Koalition gibt es große Unruhe wegen möglicher neuer Milliarden-Hilfen für Griechenland: Fraktionspolitiker der Union und FDP warnen davor, dass Athen zu einem Milliarden-Fass ohne Boden werden könnte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät immer mehr unter Druck. Direkt nach ihrer USA-Reise wird sie am Mittwoch den Fraktionen ihr Krisenmanagement erklären müssen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, an diesem Freitag eine Regierungserklärung zu den weiteren Griechenland-Hilfen und zum Euro im Bundestag abzugeben. Er hoffe, die Koalition wisse, dass sie für dieses Paket eine eigene Mehrheit brauchen, sagte Steinmeier am Montag vor einer SPD-Fraktionssitzung in Berlin. Der sich abzeichnende erhebliche Widerstand in der Union deute darauf hin, dass viele offenbar nicht mehr bereit seien, die notwendige europäische Solidarität mitzutragen.

Hohe Wellen schlugen die Zahlungen Athens an Tote, von denen Sozialbetrüger profitieren. Die griechische Arbeitsministerin Louka Katseli sagte der Athener Zeitung „Ta Nea“ am Montag, die fehlerhaften Überweisungen für Renten an Tote kosteten den Staat jährlich fast 16 Millionen Euro. Athen hatte schon vor Monaten versichert, es werde juristisch gegen alle vorgegangen, die den Tod ihrer Verwandten, „vergessen hätten“ zu melden. Die Ministerin sagte, ihre Behörde nehme jetzt auch alle 9000 der Fälle „unter die Lupe“, bei denen Menschen über 100 noch Rente kassierten.

„Die Tatsache der Rentenzahlung an über 4500 verstorbene Bedienstete ist ein neues Detail des unglaublichen Skandals griechischer Regierungspolitik und Misswirtschaft“, sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, „Handelsblatt Online“.

In Griechenland selbst wächst der Widerstand gegen die harten Sparauflagen. Mehr als 100 000 Menschen protestierten Medienangaben zufolge am Sonntagabend auf dem zentralen Syntagmaplatz vor dem Parlament, viele blieben bis zum Morgen. Auch für die kommenden Abende werden Massendemonstrationen erwartet.

Diplomaten verwiesen darauf, dass Athen zunächst die verschärften Bedingungen umsetzen müsse, die Voraussetzung zur Auszahlungen der nächsten Tranche aus dem laufenden Programm im Juli sind. Dazu gehöre die Einrichtung einer unabhängigen Privatisierungsagentur, die Tafelsilber im Wert von rund 50 Milliarden Euro verkaufen soll. Mehr Klarheit werde es von der am Mittwoch erwarteten Ministerratssitzung in Athen geben.

EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten Ende vergangener Woche die Auszahlung der neuen Tranche von 12 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Am Freitag soll im Bundestag ein gemeinsamer Antrag von Union und FDP zur Euro-Rettung beschlossen werden. Das Papier ist als Wegweiser für die Beratungen des nächsten EU-Gipfels am 23. und 24. Juni in Brüssel gedacht.

Union und FDP wollen vor allem eine stärkere Beteiligung privater Gläubiger wie Banken durchsetzen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Berlin: „Ich halte die Beteiligung des privaten Sektors für sehr wichtig.“ Der Bundeshaushalt dürfe nicht zum „Selbstbedienungsladen anderer Länder“ werden. Die FDP knüpft ihre Zustimmung an harte Auflagen. „Klar ist, dass wir erkennen müssen, dass Griechenland Anstrengungen zeigt. Das ist uns als FDP besonders wichtig und ein Gebot der Vernunft“, sagte FDP-Chef Philipp Rösler der Nachrichtenagentur dpa.

Der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Peter Willsch kündigte in der „Mitteldeutschen Zeitung“ an, er werde neuen Hilfen nicht zustimmen. Die Datenlage aus Athen sei eine Zumutung: „Das ist unterirdisch.“

Nach weiteren Angaben von EU-Diplomaten wird auf verschiedenen Ebenen der EU über neue Griechenland-Szenarien gesprochen - dazu gehöre auch die Einbeziehung von Privat-Banken in die Rettung des Krisenstaates.

Im Gespräch ist unter anderem eine freiwillige Laufzeitverlängerung von fälligen griechischen Staatsanleihen, um Athen mehr Luft zu verschaffen. Es wäre das erste Mal, dass in der Eurozone Banken bei der Rettung von Krisenstaaten förmlich in die Pflicht genommen werden. Deutsche Banken sind mit 34 Milliarden Euro in Griechenland engagiert, Nachbar Frankreich mit 56,7 Milliarden.

Falls das neue Paket bis Mitte des Jahrzehnts läuft, sind erheblich höhere Beträge als die bisher genannten rund 60 Milliarden Euro möglich. Spekuliert wird, dass womöglich mehr als 100 Milliarden Euro für neue Notkredite notwendig werden.