Spanien und Italien im Würgegriff der Anleihemärkte
Madrid/Berlin (dpa) - Vor dem EU-Gipfel schlägt Spanien Alarm. Das Euro-Schwergewicht kann seinen Staatshaushalt zu den jetzigen Bedingungen nach Angaben von Regierungschef Mariano Rajoy nicht mehr lange finanzieren.
Vom anstehenden Spitzentreffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel erhofft sich die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone einen Befreiungsschlag. An den Anleihemärkten herrscht aber große Skepsis. Der Druck auf Spanien und auch auf das Krisenland Italien lässt einfach nicht nach. Die Hoffnungen der Investoren auf einen großen Wurf beim EU-Gipfel scheinen bereits verflogen. Dem klammen Inselstaat Zypern stellten die Europartner unterdessen die beantragen Milliarden-Notkredite in Aussicht.
Im Gegensatz zu Spanien, das lediglich Finanzhilfen für die Sanierung seiner maroden Banken erhält, soll Zypern ein umfangreiches Hilfspaket bekommen. Die Finanzhilfe werde im Rahmen eines „umfassenden“ Reformprogramms gewährt, schrieb die Eurogruppe. Der Inselstaat müsse Auflagen für die gesamte Wirtschaft einhalten, die auf den Empfehlungen der EU-Kommission basierten.
Spaniens Ministerpräsident Rajoy setzt seine Hoffnungen auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs: „Das dringendste Thema ist die Finanzierung (des Staatshaushalts)“, sagte der Regierungschef am Mittwoch im Parlament. Die Zinssätze, die derzeit für spanische Staatsanleihen fällig würden, seien für das Land nicht mehr für lange Zeit bezahlbar. Er werde die EU auffordern, Entscheidungen zu einer Stabilisierung der Kapitalmärkte zu treffen.
Die Rendite für richtungsweisende Zehn-Jahres-Papiere Spaniens lag am Mittwoch zuletzt bei rund 6,8 Prozent. „Die Finanzierung ist heute schon schwer genug“, sagte Rajoy. Die Lage wird sich aber noch weiter verschlimmern, wenn wir (auf dem Gipfel) nicht klar das Zeichen geben, dass wir diese Angelegenheit ernst nehmen.“
Derweil droht die spanische Wirtschaft immer tiefer in die Rezession zu rutschen. Die Konjunktur breche auf breiter Front ein, warnte die spanische Notenbank in ihrem Monatsbericht. Eine Reihe von Indikatoren weisen den Angaben zufolge darauf hin, dass der Rückgang sich in der Zeit von April bis Juni noch beschleunigt habe.
Madrid hatte die Euro-Partner am Montag offiziell um Hilfsmilliarden für seine maroden Banken gebeten. Nach Angaben der Eurogruppe steht der von Spanien benötigte Betrag immer noch nicht fest. Die Euro-Finanzminister verwiesen nach einer Telefonkonferenz in einer Erklärung auf die unabhängigen Gutachten, die von 51 bis 62 Milliarden Euro Finanzbedarf des spanischen Bankensektors ausgehen.
„Inklusive einer zusätzlichen Sicherheitsmarge“ werde der Endbetrag innerhalb der 100 Milliarden Euro liegen, die die Eurogruppe bereits pauschal in Aussicht gestellt habe, hieß es. Die Finanzhilfe für Spanien sei notwendig, um die Finanzstabilität des gesamten Euro-Raums zu wahren. Die Regierung in Madrid werde die Vereinbarung über die Konditionen der Kredite und die damit verbundenen Auflagen unterzeichnen und sei für die Rückzahlung verantwortlich.
Spanien muss sich bei den Euro-Rettungshilfen einem Zeitungsbericht zufolge harten Auflagen beugen, die nicht nur auf die Sanierung des Bankensektors abzielen. Nach den derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Madrid, der Kommission und der EZB erhalte das Land „ein Kooperationsabkommen, das überwacht wird“, sagte Peter Praet, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), der „Financial Times Deutschland“ (Donnerstag).
Zwar habe Spanien kein klassisches Hilfsprogramm wie Griechenland, Irland oder Portugal, wo auch die öffentlichen Haushalte saniert werden müssen, „doch wegen der Verbindung der Lage im Bankensektor mit den Staatsfinanzen müssen wir auch die Entwicklung des spanischen Staatshaushalts im Auge behalten“, sagte der EZB-Chefvolkswirt. Es werde eine stärkere Belastung von Privatanlegern geprüft. „Die Spanier erhalten ihr Geld vom Rettungsfonds dann in Tranchen“, sagte Praet der „FTD“ weiter. „Die Auszahlung wird davon abhängen, ob Spanien die Auflagen erfüllt.“
Auch Zypern sicherte die Eurogruppe nun nach der Telefonkonferenz am Mittwoch zu, „positiv“ auf die eingegangene Anfrage zu reagieren. Wie bei früheren Hilfsprogrammen werde sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) an den Notkrediten beteiligen. Eine Summe nannten die Euro-Finanzminister dabei nicht. In Nikosia ist von einem Betrag von bis zu 10 Milliarden Euro die Rede. Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF sollen den Finanzbedarf des Mittelmeerstaates nun sondieren.
Auch das weitere Krisenland Italien kommt nicht zur Ruhe: Die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft muss Investoren nach wie vor hohe Zinsen für neue Milliarden bieten.