Abgasmanipulation Wie Diesel-Fahrer zu ihrem Recht kommen können

Düsseldorf · Gebündelte Klagen von Autokäufern, die ihren Anspruch abtreten, sind ein Weg. Ein anderer ist die Musterfeststellungsklage. Wie unterscheiden sich diese beiden Wege, was sind die Vor- und Nachteile?

Weil VW die Ansprüche Diesel-Kunden, die sich betrogen fühlen, nicht freiwillig erfüllt, laufen Klagen – auf verschiedenen Gleisen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Wie können die durch den Diesel-Skandal geschädigten Autokäufer nach den eher vagen politischen Ankündigungen zur Lösung des Problems noch zu ihrem Recht kommen? Die gerade anlaufende Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen VW, die sich auf potenziell 2,5 Millionen Fälle bezieht,  ist ein möglicher Weg. Ein anderer sind individuelle Klagen geschädigter Autokunden, bei denen einige durchaus schon vor Gericht zum Ziel kamen. Und dann gibt es noch gebündelte Klagen durch Rechtsdienstleister – der bekannteste ist myright.de. Wie unterscheiden diese sich von der Musterfeststellungsklage? Ein Vergleich.

Gebündelte Klagen durch den Rechtsdienstleister myright

Schon seit längerem bündelt der Rechtsdienstleister myright.de, hinter dem der prominente US-Anwalt Michael Hausfeld steht, die Klagen von Opfern der Schummel-Software. Das funktioniert so, dass Autoeigentümer ihre möglichen Rechte gegen VW an myright abgetreten haben. Der Rechtsdienstleister klagt vor dem Oberlandesgericht Braunschweig gegen VW und bündelt auf diese Weise Schadensersatzforderungen von derzeit rund 40 000 Autobesitzern. Aktuell sind nach Auskunft von myright auf diese Weise 25 000 Ansprüche rechtsanhängig, das heißt, sie stehen zur Entscheidung an. Weitere 15 000 Ansprüche sollen im November vor Gericht gebracht werden. Im Dezember ist eine Verhandlung vor dem Oberlandesgericht. myright-Chef Jan-Eike Andresen glaubt, dass noch im Jahr 2019 eine Musterklage vor den Bundesgerichtshof geht.

Gewinnt myright den Prozess gegen VW, so geht der erzielte Schadensersatz an den Autoeigentümer, abzüglich einer Provision von 35 Prozent, die an myright fließt. Verliert myright den Prozess, muss der Autoeigentümer keine Kosten tragen. Andresen sieht darin ein faires Kostenmodell: „Unsere Provision fällt nur auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Gewinn des Kunden an. Gibt es keinen Gewinn für den Kunden, dann gibt es auch keine Provision für uns. Beispiel: Wird ein Kaufpreis für 30 000 Euro erstattet, dafür aber das Auto im Wert von 30 000 Euro (nach DAT-Schwacke) zurückgegeben, hat der Kunde keinen Gewinn. Wir bekommen dann nichts. Liegt der Wert des Autos aber bei 20 000 Euro, macht der Kunde 10 000 Euro Gewinn. Wir bekommen also 3500 Euro. Im Schnitt wird unsere Provision circa 12,5 Prozent des erstatteten Kaufpreises betragen.“

Musterfeststellungklage der Verbraucherschützer

Die Musterfeststellungsklage des vzbv, bezogen auf Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189, kostet den Autobesitzer auch nichts. Und er muss selbst im Erfolgsfall keine Provision bezahlen. Allerdings ist der Verfahrensweg zweistufig und damit komplizierter. Sebastian Reiling, Referent für Musterfeststellungsklagen beim vzbv, erklärt das so: „Anders als andere Klagen, die auf eine Leistung der Hersteller (Schadensersatz) abzielen, ist die Musterfeststellungsklage auf eine gerichtliche Feststellung gerichtet. Und zwar die Feststellung, dass VW durch die Verwendung manipulierter Software Verbraucher vorsätzlich getäuscht hat und daher Schadensersatz – in Form der Rückabwicklung des Vertrags – schuldet.“ Verliert der vzbv die Musterfeststellungsklage, so ist das Urteil bindend für alle Verbraucher, die sich der Klage angeschlossen haben. Dann gibt es kein Geld. Gewinnt der vzbv, dann müsste jeder Verbraucher in einem zweiten Schritt seinen individuell zu berechnenden Schaden einklagen.

Aber wäre der Verbraucher dann nicht wieder auf sich allein gestellt? Verbraucherschützer Reiling: „Mit einem positiven Musterfeststellungsurteil im Rücken wird es für Verbraucher deutlich einfacher, ihre Ansprüche durchzusetzen. Es ist dann auch möglich, dass der Klagegegner mehr Entgegenkommen als bisher zeigt. Zu dem „zweiten Schritt“ werde der vzbv auch noch weitere Informationen bereit stellen. Reiling: „Es ist allerdings nicht unsere Aufgabe, individuellen Rechtsrat zu erteilen.“

Möglich wäre auch, dass es im Rahmen des Musterverfahrens einen Vergleich mit VW gibt. Dieser würde dann für alle gelten, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben. Ein Vergleich würde für alle wirksam, die im Register eingetragen sind und nicht aus dem Vergleich austreten.

Der vzbv wird die Klage am 1.November einreichen. Erst wenn das Bundesamt für Justiz danach das Register eröffnet hat, können sich Verbraucher dort eintragen. Reiling: „Wir sehen anhand mehrerer Tausend Anmeldungen für unseren News-Alert und vielen Anrufen bei unserer Hotline, dass offenbar großes Interesse besteht.“ Wer mitmachen möchte, muss sich nach Öffnung in das Register des Bundesamtes für Justiz eintragen. Die Verbraucherschützer informieren unter www.musterfeststellungsklagen.de über wichtige Entwicklungen.

Die Vor- und die Nachteile der beiden Verfahrenswege

Verbraucherschützer Reiling sagt: „Ich würde nicht von Vor- und Nachteilen sprechen. Für verschiedene Konstellationen gibt es verschiedene Klagearten und verschiedene Angebote zur Rechtsdurchsetzung. Für jemanden, der über keine passende Rechtsschutzversicherung verfügt, ist die Registrierung für die Musterfeststellungsklage ein interessantes Mittel, das die Verjährung hemmt und zudem noch kostenlos ist.“

myright-Chef Andresen sieht das anders: Bei der Musterfeststellungsklage müsse erst einmal die Feststellung erfolgen, dass VW betrogen habe. Und dann bedürfe es der Anschlussklage jedes Verbrauchers gegen VW auf Rückzahlung des Kaufpreises. Das sei mit einem Prozesskostenrisiko verbunden. Auch dauere dieser Weg sehr lange, weil zwei Verfahren nacheinander durchgeführt werden müssen. Gehe die Musterfeststellungsklage am Ende zum Bundesgerichtshof, wovon auszugehen sei, dauere allein das vier bis sechs Jahre. Erst danach seien Einzelklagen der Verbraucher möglich, was noch einmal ein bis zwei Jahre dauere. Andresen weist auch darauf hin, dass Selbstständige, Gewerbetreibende wie Handwerker etc. ohnehin von der Musterfeststellungklage ausgeschlossen seien, „obgleich ein wesentlicher Anteil der Schummelautos von dieser Käufergruppe erworben wurde“. Die von myright praktizierte einheitliche Leistungsklage – direkt auf Zahlung gerichtet statt zwei aufeinander folgende Verfahren – spare dagegen Zeit und erhalte dem Verbraucher den Wert seiner Ansprüche.

Kann der geprellte Dieselfahrer noch wechseln?

Kann derjenige, der seinen Anspruch schon an myright abgetreten hat, auch noch bei der Musterfeststellungsklage mitmachen? Verbraucherschützer Reiling sagt: „Wer seine Ansprüche bereits abgetreten hat, kann sie natürlich nicht mehr anderweitig geltend machen. Wer diese Abtretung rückgängig machen möchte, müsste sich auf jeden Fall an den Abtretungsnehmer wenden und sich zu seinen Möglichkeiten beraten lassen.“

myright-Chef Andresen betont, dass es keinen rationalen Grund gebe, die Sammelklage von myright zu verlassen, sagt aber auch: „In der Vergangenheit haben wir Kunden stets aus Kulanz aus der Klage entlassen und werden das auch weiterhin tun.“ myright seinerseits nimmt mittlerweile nur noch Anmeldungen mit Rechtsschutzversicherung an.