Google droht Lücke in digitaler Bibliothek
New York/Frankfurt (dpa) - Googles digitale Bibliothek bleibt bis auf Weiteres unvollständig: Millionen Titel existieren weiterhin nur auf Papier. Für den Leser bedeutet das, er kommt schwerer an ältere oder exotische Werke heran.
Google hatte vergriffene Bücher übers Internet zugänglich machen wollen.
Der deutsche Literaturbetrieb verspricht jedoch noch in diesem Jahr Abhilfe. Ein US-Richter kippte am Dienstag einen Vergleich von Google mit amerikanischen Autoren und Verlegern. Danach hätte Google im Gegenzug für die Zahlung von 125 Millionen Dollar das Recht gehabt, in den USA registrierte Bücher einzuscannen und ohne Rückfrage beim Rechteinhaber online zu stellen. Kritiker hatten moniert, Google werde zu mächtig.
„Der Vergleich würde einfach zu weit gehen“, urteilte letztlich auch der New Yorker Richter Denny Chin. „Google bekäme mit der Vereinbarung einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Konkurrenten.“ Zudem sieht der Richter die Gefahr, dass die Vereinbarung gegen internationales Recht verstößt, weil auch in den USA angemeldete ausländische Bücher darunter fielen.
Der Richter bezog sich bei seiner Argumentation neben einem Nein des US-Justizministeriums ausdrücklich auch auf Bedenken aus Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich hatte sich gegen den Bücher-Deal ausgesprochen. Zudem hatten sich zahlreiche deutsche Autoren und Verlage sowie deren Interessenvertretungen in dem seit Jahren laufenden Verfahren zu Wort gemeldet.
„Heute ist ein wichtiger Tag für das Urheberrecht“, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, am Mittwoch. „Das Scheitern des von Google angestrebten Vergleichs darf allerdings nicht bedeuten, das Ziel der Digitalisierung des kulturellen Erbes in Buchform aus dem Blick zu verlieren.“ So unterstütze und fördere der Börsenverein das Projekt der Deutschen Digitalen Bibliothek. Nach eigenen Angaben soll die Deutsche Digitale Bibliothek Ende diesen Jahres online gehen.
Google ist mit seiner eigenen Bibliothek den Deutschen jedoch um Jahre voraus. Der Internetkonzern hatte schon 2004 damit begonnen, Bücher einzuscannen, ins Internet zu stellen und durchsuchbar zu machen. Auch viele deutsche Klassiker finden sich hier.
Das Projekt „Google Books“ stützt sich auf Werke, bei denen das Urheberrecht abgelaufen ist, die also von jedermann frei verwendet werden dürfen. Mit dem US-Vergleich wollte Google auch solche Bücher anbieten, bei denen der Rechtsschutz noch besteht, die im Handel aber nicht mehr verfügbar sind. Daneben bietet Google auch aktuell aufgelegte E-Books an.
Der US-Vergleich stammt aus dem Jahr 2008; er wurde 2009 nach heftiger Kritik aus Europa aber bereits einmal überarbeitet. Die Entscheidung des Richters sei „klar enttäuschend“, sagte Googles Chefjustiziarin Hilary Ware. Die Vereinbarung hätte das Auffinden von Millionen Büchern erleichtert, fuhr sie fort und kündigte an, die weiteren Möglichkeiten zu prüfen.
Neben dem deutschen und gesamteuropäischen Literaturbetrieb hatten sich auch der Software-Konzern Microsoft und der Online-Händler Amazon gegen den weitreichenden Vergleich in den Staaten gewandt. Microsoft konkurriert mit Google im Internetsuchgeschäft. Durch den Bücher-Deal würde Google hier noch mächtiger, stellte der Richter fest. Amazon verkauft auch elektronische Bücher.
Richter Chin selbst wies allerdings einen Weg zur Annahme des Vergleichs: Er schlug vor, dass die Rechteinhaber einzeln zustimmen sollen, dass Google ihre Werke online verbreitet (das sogenannte „opt-in“). Bislang ist im Vergleich genau das Gegenteil vorgesehen: Rechteinhaber müssen der Verbreitung ihrer Werke durch Google ausdrücklich widersprechen („opt-out“).
„Ich rufe die Parteien dringend auf, ihren Vergleich dementsprechend zu ändern“, schloss der Richter seine 48-seitige Urteilsbegründung. Müsste der Konzern jedoch bei jedem Autoren oder Verlag einzeln die Zustimmung einholen, würde dies das Projekt „Google Books“ erheblich zurückwerfen. Richter Chin setzte einen neuen Termin für den 25. April an.