Seine Türe stand offen für alle. Der 65-Jährige war als Teamplayer, Netzwerker und Theatermacher der leisen Töne bekannt. Schweren Herzens übergibt er nun den Stab an Operndirektor Marwin Wendt, der mit der Geschäftsführenden Direktorin Alexandra Stampler-Brown das Doppelhaus kommissarisch bis 2027 leiten wird. Die neue Stellenausschreibung läuft. Dem Vernehmen nach sind acht Kandidaten bisher im Rennen. Am Montag, an Meyers letztem Arbeitstag, war Bewerbungsschluss. Zufall? Wir sprachen mit Christoph Meyer.
Herr Meyer, Sie nehmen zwei Jahre vor Vertragsende den Hut. Aus gesundheitlichen Gründen.
Christoph Meyer: Ja, ich muss. Das war keine leichte Entscheidung, aber man kann eine solche Aufgabe mit Verantwortung für 580 Mitarbeiter nicht mit halber Kraft machen. Das wurde nach ärztlichen Untersuchungen im vergangenen Herbst klar.
Als kommissarischer künstlerischer Leiter übernimmt Operndirektor Marwin Wendt das Ruder. Kann er das?
Meyer: Ja, natürlich! Wir arbeiten seit fünf Jahren eng zusammen, die Programme der Spielzeiten bis 2027 haben wir auch gemeinsam geplant.
Welche künstlerischen Highlights würden Sie in Ihrer Ära erwähnen?
Meyer: Künstlerische Highlights, auch unserem wunderbaren Ensemble zu verdanken, sind namhafte Regisseure. Wie Tatjana Gürbaca, Stefan Herheim, Michael Thalheimer, Immo Karaman, Rolando Villazón. Und Dietrich Hilsdorf, der einen neuen „Ring des Nibelungen“ inszenierte. Im Ballett wären viele Höhepunkte zu nennen, vor allem aus der langen und glanzvollen Periode unter Martin Schläpfer mit vielen und zum Teil ja auch preisgekrönten Kreationen. Unter Demis Volpi hat sich das Ballett weiterentwickelt und ist jetzt unter Raphaël Coumes-Marquet und Bridget Breiner auf einem spannenden Weg nach oben. Freude macht es, dieser hochklassigen Compagnie zuzuschauen. Zudem hatte ich das Glück, mit wunderbaren Chefdirigenten zusammenzuarbeiten, bis 2024 mit Axel Kober, jetzt mit Vitali Alekseenok.
Was bereuen Sie?
Meyer: Sie meinen das Debakel mit Wagners „Tannhäuser“, der 2013 nach der skandalösen Premiere vom Spielplan verschwand. Da hätte ich früher eingreifen müssen, das hätte ich später anders gemacht.
Wann spüren Sie am stärksten einen Druck?
Meyer: Immer bei den Premieren – dann, wenn das Ergebnis von vielen Wochen Proben vorliegt und das Publikum eine Neu-Inszenierung das erste Mal sieht.
Was veränderte sich in der Rhein-Oper seit 2009?
Meyer: Wir haben viele neue Akzente gesetzt und Schwerpunkte ausgebaut – in der Nachwuchsförderung (wie Opernstudio) und der Kinder- und Jugendarbeit. Durch die Kooperation „Junge Opern Rhein-Ruhr“ mit Dortmund, Bonn und Essen konnten wir künstlerische Energien in der Region bündeln und neue große Opern für junges Publikum entstehen lassen. Es ist immens wichtig, das junge Publikum als die Zuschauer von morgen im Blick zu behalten und sie an das Musiktheater heranzuführen.
Heute gibt es im Musiktheater weniger Top-Stars als früher. Sind die Zeiten der Soprane oder Tenöre, die jeder kennt und live erleben will, vorbei?
Meyer: Die Stars gibt es natürlich nach wie vor, aber ich glaube, das Interesse des Publikums verschiebt sich. Der Fokus ist nicht allein mehr auf Stars gerichtet, sondern auf spannende Inszenierungen, auch von Opern, die nicht jeder kennt. Wenn die Geschichten packend erzählt werden, dann kommen nicht nur Spezialisten. So zum Beispiel in dieser Saison: Die Vorstellungen von Zemlinskys selten gespielter Oper „Der Kreidekreis“ oder Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ sind hervorragend verkauft.
Thema Opernhaus-Neubau: Die Oper der Zukunft. Wie sieht sie aus?
Meyer: Ein positives Beispiel habe ich während meiner Zeit in Barcelona erlebt, als dort innerhalb von nur vier Jahren das Gran Teatre del Liceu neu aufgebaut wurde, international eine der ersten Adressen. Dort sind schon die Generalproben voll mit jungen Menschen. An diesem Beispiel sieht man: Ein Opernhaus darf kein verschlossener Tempel sein, jeder sollte Lust haben, hineinzugehen, egal ob bei Klassik, Pop oder anderen Genres, und das Haus muss für alle offen sein. Erfreulich ist: Die Stadt Düsseldorf steht hinter diesem Konzept. Das, was mit der neuen Oper entstehen kann, klingt aufregend. An diesem Prozess hätte ich gerne noch teilgenommen.
Wird das Repertoire-Theater, das viele verschiedene Produktionen parat halten muss, überleben?
Meyer: Es sollte. Es ist ein besonderer Kulturschatz des deutschsprachigen Raums. Die Deutsche Oper am Rhein verfügt über rund 80 spielbereite Produktionen; die Bühnenbilder lagern in etwa 160 Containern in Duisburg. Nur so können wir neben Neuproduktionen immer wieder auch Klassiker des Repertoires zeigen und für die kommenden Generationen bewahren. Um diese Vielfalt zu erhalten, darf auch an der bundesweit einzigartigen Opernehe mit Duisburg nicht gerüttelt werden. Düsseldorfs Kooperation mit Duisburg ist alternativlos.
Was machen Sie in den Tagen nach Ihrem Abschied?
Meyer: Kisten packen, denn meine Frau und ich ziehen um, bleiben aber in Düsseldorf. Und danach muss ich mich um meine Gesundheit kümmern.
Wie verabschieden Sie sich beim Publikum?
Meyer: Bei der Opern-Gala am 5. Juli im Düsseldorfer Haus. Dabei stehen am Pult vier Dirigenten – neben dem aktuellen Generalmusikdirektor Vitali Alekseenok auch Vorgänger Axel Kober, Chin Wen-pin (aus Taiwan) und Antonio Fogliani.