Ehrengast in schwierigen Zeiten Deutschland auf Istanbuls Buchmesse
Istanbul (dpa) — Der türkische Verleger Fahri Aral ist schon seit langem ein Fan deutscher Literatur. Angetan haben es dem fast 70-Jährigen vor allem Thomas Mann und Rainer Maria Rilke.
Gerne würde er sich auch auf der internationalen Buchmesse in Istanbul ganz Büchern aus der Bundesrepublik widmen, immerhin ist Deutschland in diesem Jahr Ehrengast der Veranstaltung - doch die dramatische politische Entwicklung in der Türkei überschattet den Auftritt.
Denn seit dem Putschversuch vom 15. Juli hat sich der Druck auf Kritiker der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP dramatisch verschärft. 142 Journalisten und Autoren sitzen unter Terrorverdacht im Gefängnis, darunter die international bekannte Autorin Asli Erdogan, deren Bücher auch auf Deutsch erschienen sind. Ihr droht lebenslange Haft. 29 Verlage wurden per Notstandsdekret geschlossen, da sie laut der Behörden „die nationale Sicherheit gefährden“.
„Die Situation in der Türkei nach dem Putschversuch ist schlimmer als nach dem gelungenen Militärputsch 1980“, sagt Aral, Vize-Präsident des türkischen Verlegerverbandes, der die Messe mitorganisiert. „Wir erleben fast täglich Verhaftungen und Schließungen von Medien. Meinungsfreiheit wird mit Füßen getreten. Die Lage ist sehr ernst.“ Genau deswegen hält Aral die Messe, die am Samstag begann, für so wichtig. „Gerade jetzt sind Austausch und Diskussionen, wie sie auf der Buchmesse passieren, dringend notwendig.“
Unter dem Motto „Worte bewegen“ präsentieren sich 29 deutsche Verlage, darunter namhafte Häuser wie Suhrkamp und Rowohlt, sowie Kulturinstitutionen vier Tage lang am deutschen Gemeinschaftsstand. Zudem nehmen 14 deutschsprachige Schriftsteller teil, unter anderem Ilija Trojanow, Silke Scheuermann und der Lyriker Achim Wagner. Goethe-Institut, Auswärtiges Amt und Frankfurter Buchmesse gestalten den Auftritt. Es werden mehr als eine halbe Million Gäste erwartet.
Auch deutsche Teilnehmer legen in diesem Jahr großen Wert auf eine klare Stellungnahme zur politischen Lage. „In der Türkei werden Verlage geschlossen“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Dissidenten und ihre Familien werden drangsaliert und verfolgt. Es ist jetzt wichtig, dass wir dabei nicht einfach zuschauen, sondern Solidarität zeigen.“ Geplant seien eine Podiumsdiskussion über Meinungsfreiheit und eine Mahnwache vor dem Gefängnis, in dem Asli Erdogan inhaftiert ist.
In den vergangenen Wochen hat sich auch das deutsch-türkische Verhältnis dramatisch verschlechtert. Dabei war vor nicht allzu langer Zeit alles anders. Wenn sich Verleger Aral an den Auftritt seines Heimatlandes auf der Buchmesse in Frankfurt 2008 erinnert, lächelt er. Damals präsentierte sich sein Land als Ehrengast am Main. Das Motto: Die Türkei in all ihren Farben.
„Dieser Messeauftritt der Türkei war ein toller Erfolg“, erzählt Aral. „Türkische Literatur erfuhr einen großen Auftrieb in Deutschland.“ Beim Abendessen habe der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier neben seinem Kollegen aus Ankara gesessen und der türkische Autor Orhan Pamuk mit der Frau des damaligen Staatspräsidenten Abdullah Gül diskutiert. „Wir haben rege Debatten geführt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“
Bislang sei die Buchbranche recht glimpflich davongekommen, sagt eine im türkischen Verlagswesen tätige Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Noch ließen die Verleger mehrheitlich drucken und übersetzen, was sie wollten. Doch auch in der Verlagsbranche sei die Angst groß - und wachse weiter. „Wir waren einfach noch nicht an der Reihe, weil sie sich zuerst die Universitäten und die Medien vorgenommen haben“, sagt sie besorgt. „Aber die Schlinge wird auch für uns immer enger.“