Flucht ins Ungewisse: „Boat People“ uraufgeführt

Cuxhaven (dpa) - In einem kleinen Fischerboot flüchteten Bui Thu und seine Familie vor den Kommunisten. Fast 400 Vietnamesen drängten sich in dem nicht mal 20 Meter langen Kahn. 32 Jahre ist das nun her.

Doch Bui, damals 15 Jahre alt, erinnert sich immer noch ganz genau an die strapaziöse Reise.

„Es war eng und furchtbar heiß.“ Fünf Tage harrte er im Bauch des Schiffes aus, hatte Hunger und Durst. Dann rettete ein deutscher Frachter die Flüchtlinge.

Das Schicksal von Herrn Bui ist nur eines von vielen. Damals flüchteten tausende Menschen aus Vietnam. Ihre Geschichten werden nun auf einer Bootswerft in Cuxhaven wieder lebendig. Am Donnerstagabend feierte „Boat People“ seine Uraufführung. Die Produktion der Schauspielgruppe „Das Letzte Kleinod“ begleitet zwei Paare auf ihrer Flucht von Südvietnam nach Norddeutschland, wo sie 1979 im tiefsten Winter ankommen.

Für das Stück recherchierte der Regisseur Jens-Erwin Siemssen in dem südostasiatischen Land und sprach mit Zeitzeugen. Gemeinsam mit dem Bruder von Herrn Bui reiste er in die Mangrovensümpfe, wo einst die Odyssee der Familie begann. Die Erlebnisse und Emotionen ließ er in die Dialoge einfließen. „Wir sprechen kein Wort, das nicht vorher irgendwie erzählt wurde.“ Dokumentarische Inszenierung nennt der Autor diese Art zu arbeiten.

Da ist es nur konsequent, dass vier der fünf Schauspieler vietnamesische Wurzeln haben. Auf einer Bühne am Rande des Hafenbeckens zeigen sie das Vietnam der 70er Jahre, den Krieg zwischen Nord und Süd, die kommunistische Machtübernahme. Es folgen Jahre des Hungers und des Leids. Menschen verschwinden spurlos. Wer kann, der flüchtet.

70 Minuten lang lassen die Schauspieler das Publikum in die Welt des Vietnamkriegs und der Flüchtlingsdramen abtauchen. Mit kleinen Mitteln erreichen sie große Effekte: Bambusrohre lassen das Knattern von Hubschraubern oder das Klicken der Handgranaten erklingen, miteinander verbunden deuten sie ein Fischerboot an.

Allein Deutschland nahm damals nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund 35 000 „Boat People“ auf. Patenfamilien kümmerten sich um die verstörten Ankömmlinge. „Es war eigentlich ein ganz eigenartiges Gefühl - auch für uns“, erzählt eine Schauspielerin die Eindrücke einer Patenfamilie. Alles war für die Flüchtlinge fremd. Doch nach und nach näherten sich beide Seiten an. „Und schon schnell haben wir begonnen, morgens Reissuppe zu kochen - keine Brötchen mehr.“