Imi Knoebel, Schalk der Szene

Ausstellung Der Düsseldorfer Maler verwandelt die Neue Nationalgalerie in ein riesiges Gemälde.

Berlin. Der Düsseldorfer Maler Imi Knoebel, im Kunst-Ranking einer der wichtigsten Künstler der Welt, feiert in der Bundeshauptstadt Triumphe. Er erhält eine Doppel-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie und im Deutschen Guggenheim. Besucher erzählen, seit dem Mauerfall hätten sie nicht mehr einen solchen Andrang zur Vernissage erlebt.

Das ist erstaunlich, denn der 68-Jährige steuert einen eher puristischen Gegenkurs zu seinem ehemaligen Lehrer Joseph Beuys. Statt mit einer "Roten Stadt" zu betören, wie es Jörg Immendorff tat, fegt er zunächst einmal die Halle leer.

Für Imi Knoebel, den Fan des russischen Suprematismus, ist die Neue Nationalgalerie des Mies van der Rohe (1965/ 68) die "Ikone des 20. Jahrhunderts", hat sie doch als Dach das schwarze Quadrat frei nach Malewitsch. "Es ist für mich der wichtigste Raum in der Architektur", sagt er im Gespräch, "ein Raum ohne Wände."

Anfangs wollte er eine Retrospektive zeigen. Doch dann kam der Schritt zur subversiven Konzeptkunst: Er präsentiert (fast) nichts als Raum. Niemand vor ihm ist auf diese freche und doch zugleich geniale Idee gekommen.

Eine Woche lang ließ er sich von zwei Malern die hohen Glaswände von innen weiß anstreichen. Ein milchiges Riesengemälde entstand, das den Raum abschließt, der sonst offen wirkt. Es gibt keinen Durchblick mehr. Ein nicht greifbares Energiefeld scheint sich nach innen zu kehren.

Je nach Witterung und Tageszeit wird das Feld anders gefiltert und verwandelt das Areal in einen meditativen oder leicht bedrückenden Raum. Abends, wenn das künstliche Licht angeschaltet wird, wird er plötzlich als ein Leuchtkörper von außen erfahrbar. Selbst die Berliner Taxifahrer staunen.

Neben die Garderoben postiert Knoebel den legendären "Raum 19" (1968), das Konzentrat seiner Studentenzeit an der Kunstakademie Düsseldorf, ein Archiv aus Hartfaserplatten, Keilrahmen und Kuben. Der zweite Komplex ist "Batterie" (2004), ein Energiespeicher besonderer Art: Der Quader drängt sich als Fremdkörper in den "Raum 19".

Im Dunkeln aber erhellt er ihn mit einem geheimnisvollen Licht, hat doch Knoebel die Oberfläche mit phosphoreszierender, nachleuchtender Farbe beschichtet. Da die "Batterie" einen Aluminiumsockel hat, scheint ihr Oberteil des Nachts zu schweben. Energie sammeln und in sublimierter Form zur Entladung bereitzustellen, dieses Prinzip hatte auch Beuys in seiner Kunst umgesetzt.

Im Deutschen Guggenheim spannt Knoebel unter dem Titel "Ort" jeweils drei blaue, rote und gelbe Bilder in eine Alu-Kammer, die nach vorn offen ist und sich in einer Alu-Bodenplatte spiegelt. Die Bilder sind reine, strahlende Farbe. Anders wirkt die Serie zu Grace Kelly (1989/ 2005), dem Schönheits-Idol der Nachkriegszeit. Die Farbfilm-Ästhetik jener Zeit klingt in immer wieder neuen Farbkonstellationen an.

Knoebel gehört nicht zu den Sturköpfen unter den Minimalisten, er kann die abstrakte Kunst von ihrer formalen Strenge befreien. Bekannt wurde er in der Düsseldorfer Kunsthalle durch zwei Ausstellungen mit weißen Bildern.

1975 protestierten die Besucher und wollten ihr Geld zurückhaben, weil sie "nichts sahen". 22 Jahre später jubelte das Volk über dieselben Arbeiten. Sein schönstes Werk aber, der "Genter Raum", ein Jahrhundertwerk der Farbe auf 449 lackierten Holzteilen, schlummert in K21 wie in einer Art Abstellkammer. Sobald der Umbau am Grabbeplatz 2010 beendet ist, geht er in die neueren, größeren Räume von K20 und wird dort hoffentlich wachgeküsst.