Pina Bauschs „Two Cigarettes“ neu einstudiert
Wuppertal (dpa) - Das Tanztheater Wuppertal leidet noch immer unter dem Verlust von Pina Bausch. Als die weltberühmte Choreographin und Regisseurin noch lebte, brachten sie und ihre Compagnie jedes Jahr ein neues Stück heraus.
In diesem Jahr fehlt die Uraufführung. Statt neue Kreationen zu wagen, widmet sich die Compagnie der Pflege des Repertoires und studiert alte Tanztheaterabende der vor zwei Jahren gestorbenen Pina Bausch neu ein. Jetzt wurde „Two Cigarettes in the Dark“ wieder in den Spielplan gehoben.
Die Collage, 1985 uraufgeführt, war 1996 zum letzten Mal gespielt worden. Aus der alten Besetzung wirkt jetzt unter anderen wieder Dominique Mercy mit, einer der herausragenden Protagonisten und inzwischen einer der beiden künstlerischen Leiter des Wuppertaler Tanztheaters. Und als Schauspielerin Mechthild Großmann, die gefürchtete Staatsanwältin mit autoritativer Altstimme aus dem Münsteraner „Tatort“.
Mercy gehört die spektakulärste Szene: Der Tänzer tritt nur mit einer Feinripp-Unterhose bekleidet und überlebensgroßen Schwimmflossen an den Füßen auf - es ist unmöglich so zu tanzen. Mechthild Großmann brilliert mit tadelloser Haltung wie eine Herzogin in großer Robe - ihr Löwinnenhaupt von einer roten Mähne umloht - mit einem haarsträubenden Gedicht, in dem sie verrät, wie man Engel „fickt“.
Im Zentrum des stark erotisch gefärbten, relativ kleinen Abends - das Ensemble hat elf Köpfe, sechs Damen, fünf Herren - steht das Verhältnis der Geschlechter. Es ist herzzerreißend, keiner hat Verständnis für den anderen. „Two Cigarettes in the Dark“ weist keinen wirklichen Pas de deux auf, es wird überhaupt wenig getanzt - bei Pina Bausch immer ein sicheres Zeichen für prekäre Verhältnisse. Einmal wagen vier Damen und vier Herren einen weithin dekonstruierten Walzer - im Sitzen!
Die akustische Kulisse - aus der Konserve - spannt einen weiten Bogen von Claudio Monteverdi bis Maurice Ravel, sie enthält nur wenig Popmusik. Allerdings erklingt „Two Cigarettes in the Dark“ zum großen Finale, ein banaler amerikanischer Schlager über ein Liebespaar, das sich eindeutig zweideutig Feuer gibt. Die Tänzerinnen und Tänzer schreiten dazu beschwingt vom Hintergrund zur Rampe und lächeln professionell leer - wie im Fernsehballett.
Die vorherigen Bilder, fantasievoll, witzig, stets mit analytischem Tiefgang, zeigen, dass mit derart seichter Heiterkeit ein ernsthaftes Tanztheater über das Verhältnis von Männern und Frauen nicht zu machen ist. Der Compagnie unter der Probenleitung von Bénédicte Billiet, Josephine Ann Endicott und Dominique Mercy glückte die Neueinstudierung, wenn auch einige Szenen ins Alberne abdriften und ohne Verlust gestrichen werden könnten.
Pina Bausch hatte noch eine Einladung nach London angenommen: Bei den Olympischen Spielen 2012 werden im Kulturprogramm an zwanzig Abenden zehn Werke der berühmten Choreografin präsentiert. So ehrenvoll die Einladung ist, sie kann doch nicht vergessen machen, dass eine Neueinstudierung keine Uraufführung ersetzen kann. Die Lücke, die Pina Bausch mit ihrer produktiven Kreativität hinterlassen hat, ist noch lange nicht geschlossen.