Werner Schneyder: Ein „Kabarentner“ setzt Wirkungstreffer
Kabarett: Altmeister Werner Schneyder ist zurück auf der Bühne.
Düsseldorf. Wenn er Berufsboxer gewesen wäre, hätten sie alle über ihn die Stirn gerunzelt. So wie er selbst, der Ex-Sportreporter, es bei Henry Maske tat. Über den Rücktritt vom Rücktritt, das Ring-Comeback im (über-)reifen Alter. Doch Werner Schneyder war eben nur Hobby-Faustkämpfer. In seinem Hauptberuf Kabarettist ist Qualität aber keine Altersfrage. Und so trat Schneyder nun zwölf Jahre nach seinem Abschied als Solo-Kleinkünstler wieder in seinen Ring - die Bühne des Düsseldorfer Kom(m)ödchens, wo er einst mit Lore Lorentz zusammenarbeitete.
"Ich bin konservativ" heißt das Programm, mit dem der "Kabarentner" aus Graz (Schneyder über Schneyder) sich zurückmeldet - mit Höhepunkten aus fast dreißig Jahren Kabarett und politischem Chanson, angepasst an das aktuelle Geschehen. Verlernt hat er nichts, der Altmeister, den Hanns Dieter Hüsch einst den "Lessing des deutschsprachigen Kabaretts" nannte. Mit geschliffenen Worten hält den Kriegen, Krisen und Missständen der Welt ironisch und ohne jede Altersmilde den Spiegel vor, setzt die Pointen punktgenau wie Wirkungstreffer im Boxring. Die Stimme so voll wie die ewig jungenhafte Igelfrisur, zeigt Schneyder eine - zumal für einen 71-Jährigen - beeindruckende Bühnenpräsenz.
Werner Schneyder über die Wiedervereinigung
Politiker, die auf immerwährendes Wachstum setzen? "Sie sind blöder als Bäume." Rumms! Rechte Gerade! Weiter geht’s in raschem Wechsel, über die weltweite Wiedereinführung der Sklaverei durch die Globalisierung zurück nach Deutschland - "das einzige Land der Welt, in dem das Geld in den Sozialsystemen nach einem Vorbestraften benannt ist". Rumms! Aufwärtshaken für Peter Hartz. Es folgen Seitenhiebe für das "EU-Zentralkomitee", Exkurse über den Nahostkonflikt, George W. Bush und die hochgerüstete Nato bis zum religionspolitisch aufgeladenen Zwiegespräch mit Gott.
Schneyders leichtfüßiger Ritt durch seine nur behutsam aktualisierten Programme zeigt aber auch: So sehr die Umbrüche zwischen 1968, 1989 und 2001 Land und Welt verändert haben, viele Themen sind beklemmend aktuell geblieben. Die gespaltene Linke und die lauter werdenden "Faschisten im Wartesaal" zum Beispiel, schon besungen im anrührenden Chanson "Schlafen Sie gut, Herr Tucholsky" (1983).
Ohnehin sind es Schneyders Gesangseinlagen zu Christoph Paulis leicht perlendem Klavierspiel, die für die wohl stärksten Momente auf der Bühne sorgen. Etwas Schöneres als das bitter-melancholische "Trink aus und geh!" hat wohl niemand den in die saturierte Mitte abgewanderten 68er-Ex-Linken nachgerufen - gell, Herr Fischer? Und das sarkastische "Lieber Gott, mach mich bitte zum Experten" möchte man Polit-Strebern à la Karl Lauterbach gern in Endlosschleife vorspielen. Zornig und nachdenklich, weise und bissig, dabei fast immer auf höchstem Niveau - nach zwei Stunden plus Zugaben wünscht man sich, den Kabarettisten Werner S. nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.