Dröhnender Jubel für die Fan-Show „Glaube, Liebe, Fußball“ in Düsseldorf Theater-Spektakel über und mit Fußball-Fans

DÜSSELDORF · . Sie jubeln, feuern an, ab und zu auch mal ein „Tor! Tor! Tor!“, Gruppen in bunten Fußball-Klamotten üben sich in „schalla lalala oho“, „olé, olé, olé olé“ und anderen Stadion-Songs, die sie mit voller Kraft herausbrüllen.

Sophie Stockinger heizt dem Ensemble und dem Publikum ein.

Foto: Thomas Rabsch

Jungs und Mädchen. Gerade haben sie sich noch am Smartphone gezankt und mit groben Worten beschimpft und „Schluss gemacht“. Dann grölen sie wieder. Oder sie schwingen mit ihren Fan-Schals, andere schwenken Fahnen mit Ländernamen der Teilnehmer-Nationen der EM. Die erste Fan-Meile wurde Freitagabend auf dem Gustaf-Gründgens-Platz vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus eröffnet. Und bleibt dort bis zum EM-Endspiel stehen.

Schunkeln und Karnevalsstimmung mischen sich mit dem ewig donnernden Schlachtruf „Glaube, Liebe, Fußball“. So der Titel des Open-Air-Spektakels, mit dem das Schauspielhaus Theater-, Karneval-, Party- und Fußball-Fans zusammenführen will. Versöhnung war nicht notwendig. Im Gegenteil: Am Ende jubeln alle.

Dauer: 90 Minuten. Nicht etwa um die aktuelle Weisheit „Es gibt keine Geschichte, die man nicht in 90 Minuten erzählen kann“ zu bestätigen. Sondern weil die anderthalb Stunden natürlich der Spieldauer auf dem Fußballrasen entsprechen. Das Theaterpublikum sitzt auf der Zuschauer-Tribüne, eingepackt in wärmende Decken und provisorischen Regenschutz. Bis kurz vor 19.30 Uhr war unklar, ob überhaupt angepfiffen werden konnte. Noch nach dem Beginn, vom Intendanten Wilfried Schulz mutig und optimistisch mit „Wir spielen“ verkündet, schauten manche skeptisch auf den Regen-Radar. Glück gehabt.

Direkt gegenüber: 40 Laien- und Profi-Schauspieler (Bühne: Karolina Wyderka). Darunter gecastete Fans. Männer und Frauen in grellem Leucht- oder Glitzer-Look (Kostüme: Barbara Aigner). Aufgekratzt, einige leicht aggressiv. Sie flirten drauflos, schimpfen und labern. Über Gott, die Liebe, die zweite Halbzeit und allerlei aus der Fußball-Welt. Durch den Abend führen Radio-Moderatoren Claudia (Bettina Lamprecht) und Dieter (Sebastian Tessenow), die das Spiel live in ihrer Kabine, hinter den Fan-Reihen, kommentieren.

Aufgekratzt, manchmal mit sich überschlagender Stimme. Schlagfertig, mit hintergründigem Witz und Selbst-Ironie nehmen Lamprecht und Tessenow die Heilige Kuh Fußball und die Rolle von Kommentatoren auf die Schippe. Sie starren, wie das Publikum, auf den Groß-Monitor, auf dem Videos von Fußball-Spielen flimmern – ein verwegener Mix aus bedeutenden und unbekannten Meisterschafts-Begegnungen. Einfahren der Mannschafts-Busse, Kabinen- und Trainergeplauder inklusive.

Gesteuert werden Fans und Publikum vom zweiten Duo: Capa (Sophie Stockinger) und Capo (Thomas Kitsche). Sie heizen beiden Gruppen ein, ziehen alle Register, und erzielen das gewünschte Rudel-Brüllen und -Pfeifen bei Toren, Elfmetern und Fouls. Gruppendynamik und Begeisterung übertragen sich sogar auf Zuschauer. Besonders Kitsche treibt seine Anfeuerungen auf die Spitze, spielt den Capo als Zappelphilipp und hyperventilierten Entertainer, der am ganzen Körper bebt. Während der Halbzeiten und in der Spielpause sorgt ein schriller Außenreporter (Elias Nagel) für Stimmung, wenn er überdrehte Fans und nach dem Abpfiff ermattete Spieler vors Mikrophon zerrt. Und Ihnen Banalitäten entlockt.

Treffsicher kommen Parodie und Satire über die Rampe. Sie führen Jubel und Trubel in der Fankurve in einem Fußballstadion vor. Und touchieren dabei allzu menschliche Schwächen. Bibbern und Bangen vor Abstieg und Euphorie beim Aufstieg in die erste Liga. Sie nehmen lebende Fußball-Legenden wie Günter Netzer und Paul Breitner aufs Korn – ebenso Trainer wie Giovanni Trapattoni („Ich habe fertig“). Man erlebt aber auch, wie schnell sich – in Interviews oder aufgeregten Radio-Kommentaren – die Gendersprache grammatisch abstrus verirrt und lächerlich wirkt. Überhitzt und überspitzt ist vieles in der flotten 90-Minuten-Fan-Show, aber auf den Punkt inszeniert vom Duo Leonard Koppelmann und Peter Jordan, die „Glaube, Liebe, Fußball“ auch geschrieben haben. Sie kommen Gottlob ohne Nachspielzeit aus. Ob sie mit dem Stück Fortuna-Fans ins Schauspielhaus locken? Oder Theaterfans dazu bewegen, ein Ticket fürs nächste Spiel zu kaufen? Bleibt abzuwarten. Vielleicht ja, wenn Fortuna Düsseldorf beim Heimspiel heute Abend wieder in die Bundesliga aufsteigt.

Läuft bis 13. Juli, aber nur an Tagen, an denen keine wichtigen EM-Spiele ausgetragen werden. Ansonsten gibt es in der Fan-Zone vor dem Schauspielhaus bis zum EM-Finale ein facettenreiches Programm. Tickets: Telefon 0211/36 99 11