Anselm Kiefer: Große Retrospektive in Paris

Paris (dpa) — Ein verrostetes Maschinengewehr auf einem alten Lazarettbett und das Namenschild der deutschen RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. „Über Deutschland“ heißt die monumentale Installation im Pariser Centre Pompidou.

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Anselm Kiefer hat sie eigens für die umfassende Retrospektive geschaffen. Bis zum 18. April sind mehr als 150 Werke des 70-jährigen deutschen Künstlers zu sehen. Kiefer wurde erst im Herbst vergangenen Jahres mit einer großen Werkschau in London gewürdigt. Doch in Paris sind andere Werke zu sehen, wie der Kurator Jean-Michel Bouhours bestätigte.

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Ulrike Meinhof, 1970 Mitbegründerin der linksextremistischen terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion, ist in der Pariser Installation von Pilzen umgeben, die die Namen von deutschsprachigen Dichtern und Denkern tragen. Der Titel des Werkes lehnt sich an das gleichnamige Buch der Schriftstellerin Germaine de Staël an: „De l'Allemagne“, Über Deutschland. Daran hatte die Französin Anfang des 19. Jahrhunderts ein Land beschrieben, das sie aufgrund seiner Dichter und Denker bewunderte, aufgrund seiner Bevölkerung jedoch verachtete, die sie mehrheitlich als vulgär und brutal beschrieb.

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Deutschland als das Land der Barbaren und der Romantiker: „Ich versuche die Nebengleise zu zeigen, die andere Seite des Landes der Romantiker“, sagte Kiefer der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Deutschland sei gefährlich, denn es sei eine verspätete Nation, meint er. Der Begriff der „verspäteten Nation“ geht auf eine 1934 entstandene Schrift des deutschen Philosophen und Soziologen Helmuth Plessner zurück. Darin versuchte der Geisteswissenschaftler die Unterstützung des Bürgertums für Hitler zu erklären.

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Die Installation des Künstlers kann als Quintessenz seines Denkens und Schaffens gesehen werden. Denn Kiefer verarbeitet in seinen Acrylbildern aus Asche, Blei, Ton und Stroh vor allem deutsche Geschichte und Poesie. „Wege: Märkischer Sand“ oder „Oh Halme, ihr Halme, oh Halme der Nacht“ konfrontieren das Pariser Publikum mit Endzeitlandschaften: verbrannte Erde einer dunklen Welt.

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Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und führt über Kiefers ehemals umstrittene „Heroischen Sinnbilder“-Serie aus den 70er-Jahren - Selbstporträts mit Hitlergruß — über seine Monumentalwerke „Osiris und Isis“, „Die große Fracht“ und „Lilith“ hin zu seinen vierzig Installationen hinter Glasvitrinen mit vergoldeten Ähren und verbleiten Büchern.

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Kiefer ist ein Büchernarr. Die zahlreichen literarischen Bezüge in seinen Werken unter anderem zu Ingeborg Bachmann und Paul Celan zeugen davon. „Ich habe irgendwo gelesen, dass Philosophen und Schriftsteller Zauberpilze gesammelt haben, um sich anzutörnen“, erzählte er der dpa. Und so sei ihm die Idee der Philosophen als Pilzköpfe gekommen. Ab Mitte März will die Albertina in Wien Kiefers Holzschnitte und Bildzyklen zeigen.