Arnulf Rainer: Selfies und immer wieder Schwarz

Baden-Baden (dpa) - Arnulf Rainer ist berühmt für seine düsteren Übermalungen. Doch das wollte er anfangs gar nicht. „Ich wollte spezifische Themen malen. Aber dabei ist mir nur Schwarz, Schwarz, Schwarz eingefallen“, sagte er einmal.

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Dass ihm im Laufe der Jahrzehnte dann doch etwas mehr einfiel, zeigt in Baden-Baden eine Retrospektive über einen der bedeutendsten Gegenwartskünstler. Vom 28. Februar bis zum 3. Mai sind im Museum Frieder Burda mehr als 100 Werke des Österreichers zu sehen - zusammen mit Arbeiten von Künstlerfreund Georg Baselitz.

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Die Schau, die in Kooperation mit der Albertina in Wien entstand und dort in anderer Zusammenstellung zuvor zu sehen war, dokumentiert anschaulich den Schaffensweg des einstigen jungen Wilden. Als er in den 1950er Jahren die Szene betrat, galt der Wiener als exzentrischer Provokateur. Heute ist Arnulf Rainer, der am 8. Dezember seinen 85. Geburtstag feierte, nach eigenem Bekunden „ganz sanft“ geworden.

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So, wie er tatsächlich angefangen hat: Ungewohnt heiter kommen seine frühen bunten Farbbahnen „Proportionen“ daher, die den Anfang der Schau markieren. Doch Arnulf Rainer meinte, „dass die Qualität und die Wahrheit des Bildes nur wächst, wenn es sich mehr und mehr verdunkelt“. Eindrucksvoll sichtbar wird das bei der „Übermalung Schwarz auf Weiß“ (1957-59) und bei seinem „Schwarzen Kreuz“ (1956).

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Letzteres erinnert stark an das „Schwarze Quadrat“ des russischen Avantgarde-Künstlers Kasimir Malewitsch, weist aber schon auf die düsteren übermalten Selbstdarstellungen und die Van-Gogh-Serie aus den 1970er Jahren hin. Jene gruseligen Bilder mit leeren Augenhöhlen sind in der Schau ebenso vertreten wie die mit Bärten, überlangen Wimpern und zugenähten Lippen übermalten Totenmasken.

Das Werk ist nicht immer nur schwarz, aber es steckt immer Arnulf Rainer drin. In den Totenmasken genauso wie in launigen Automaten-Selfies oder provokanten Lust-Bildern des nackten Schläfers.

Ist Arnulf Rainer ein Narziss? Nein, meint Kurator Helmut Friedel. Rainers Selbstbildnisse symbolisieren für ihn eher den Aufschrei des Individuums gegen eine Welt, in der nach dem Zweiten Weltkrieg, Auschwitz und Hiroshima „alles Leben ausgelöscht“ wurde. „Es geht um einen völligen Neubeginn durch Auslöschen des Bildes“, sagt Friedel.

Beklemmend sichtbar wird dies am Ende der Ausstellung anhand des „Hiroshima-Zyklus“ und der „Kisten-Walhalla“ aus den 1980er Jahren. Diese treffen im obersten Stockwerk auf Hauptwerke des Museums von Georg Baselitz: Auch dessen wuchtige Helden- und Frakturbilder zeugen von der Gemütslage der Nachkriegsgeneration - und vom Kampf gegen das akademische Dogma der gegenstandslosen Kunst in den 1960er Jahren. Während Baselitz die Welt Kopf stehen lässt und seine späten Werke mit ungewohnt lichter Farbigkeit daher kommen, wirken Rainers Arbeiten am Ende poetischer. Und versöhnlicher, wie Mona Lisas „Hände“ (2002/4) eindrucksvoll bezeugen.