Arp Museum Rolandseck: Weiß ist nicht gleich Weiß
Tiefster Winter in Remagen: Die Schau „Lichtgestöber“ entführt in die eiskalte Jahreszeit aus Sicht der Impressionisten.
Remagen. Von der Seite wehen mir nasskalte Flocken ins Gesicht. Ankunft im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, das ich standesgemäß mit dem Zug erreiche. Aus dem Schmuddelwetter unseres Winters eile ich ins verheißungsvolle „Lichtgestöber“. Dem Winter im Impressionismus ist die Ausstellung gewidmet, die mich an diesen Ort führt. Ich will diese Jahreszeit von ihrer künstlerischen Seite kennenlernen.
„Weiß ist nicht gleich Weiß“, hat Richard Meier, Architekt des Arpschen Museumsneubaus von 2007 und Meister der Farbe Weiß, einmal gesagt: „Man kann darin alle Farben des Regenbogens sehen.“ Und so sieht auch Schnee immer wieder anders aus, je nach (Tages-)Licht.
„Die Impressionisten haben den Schnee in vielen verschiedenen Farben und sehr lebendig gemalt, um so die jeweils empfundene Atmosphäre wiederzugeben“, erklärt die stellvertretende Museumsdirektorin Claudia Seiffert. Was sie meint, hat der Maler Renoir einst so formuliert: „Das Weiß existiert in der Natur nicht. Ihr werdet zugeben, dass es einen Himmel gibt über dem Schnee. Euer Himmel ist blau. Dieses Blau sollte auf dem Schnee erscheinen. Am Morgen gibt es Grün und Gelb im Himmel. Diese Farben sollten gleichfalls auf dem Schnee erscheinen . . .“
Die Impressionisten haben dem Winter erstaunlich viele Werke gewidmet. „Lichtgestöber“ vereint 63 Gemälde von 35 Künstlern, darunter das Who is Who des Impressionismus: Monet, Gaillebotte, Sisley, Courbet, van Gogh, Gauguin, Pissarro, Liebermann, Corinth. Den Grundstock bildet die dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung stehende Sammlung Rau für Unicef. Claudia Seiffert erinnert sich: „Wir entdeckten darin sechs Winterbilder von Impressionisten. Und wir stellten fest, dass sie noch nie zusammen in einer Ausstellung gezeigt worden waren.“
Ergänzt werden die Gemälde durch 15 Fotografien von Schneelandschaften aus dem frühen 20. Jahrhundert. „Die Fotografen haben sich damals als Maler mit Licht verstanden“, sagt Seiffert. Impressionisten wie Fotografen beeinflussten sich gegenseitig, ohne einander zu kopieren, wodurch erstaunlich ähnliche Werke entstanden. Sie alle verbrachten viele Stunden im kalten Weiß, um die jeweilige Stimmung einzufangen. „Ich habe heute während eines Teils des Tages im Schnee gemalt. (. . .) Sie hätten gelacht, wenn Sie mich so gesehen hätten, weiß vom Kopf bis zu den Füßen“, schrieb Monet 1895 begeistert.
„Unterwegs im Schnee“, „Über weißen Dächern“, „Tauwetter“ oder „heroische Winter“ lauten die Untertitel der thematisch gehängten Ausstellung. Sie spannt den Bogen von den impressionistischen Anfängen in den verschneiten Pariser Vororten über die norwegischen Häuser im Schnee eines Monet bis zu den Schneelandschaften der Postimpressionisten van Gogh und Munch, die um die Jahrhundertwende tief in die Farbpalette griffen. Das deutsche Echo vertreten Liebermann mit zwei zarten Pastellen, Slevogt, der 1917 den ersten Schnee auf den Weinbergen bei Neukastel festhielt, während andernorts der Krieg wütete, oder der ausdrucksstarke Nolde.
Warum nur diese Winterbegeisterung? In Paris herrschten zwischen 1870 und 1895 besonders strenge Winter mit bis zu minus 23,9 Grad (10.12.1879). Das Potsdamer Institut für Klimaforschung hat die Temperaturkurve nachgezeichnet; Graphiken aus damaligen Zeitungen machen anschaulich, wie die Menschen gegen Frost und Schneemassen in der Seine-Stadt kämpften. Im Ausstellungskatalog ist zu lesen, dass die Bilder „eine bis dahin offenbar seltene Witterung: auffallend kalte, aber feuchte Winter in Nordfrankreich“ reflektieren.
In die Gegenwart führt ein etwa ein Meter großer Eisklumpen, der beständig taut und alle paar Tage mit Hilfe einer Schneemaschine erneuert wird. Außerdem zwei große Fotos, um 1900 und heute aufgenommen, die ein und dieselbe Stelle des Großglockners zeigen — mit und ohne Gletscher. Hinweise auf das Thema Klimaerwärmung.
Eine Messstation auf der Anhöhe des Museums schließlich informiert über die — zugegeben wenig verheißungsvollen — Wetterverhältnisse draußen. Ich bin zurück im realen Winter.