Art Stage in Singapur: Südostasiens Kunst ist im Kommen
Singapur (dpa) - Die indonesische Künstlerin Tintin Wulia hat es mit Grenzen. „Bastel Dir einen Pass“ heißt ihre Performance. Sie gibt Besuchern der Kunstmesse Art Stage Singapore Papier, Stifte und Kleber, damit sie sich selbst einen Reisepass machen, und kommt darüber mit ihnen ins Gespräch.
„Wir reden über Herkunft, Identität, Globalisierung, Migration“, sagt die 43-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Das Thema passt auch zur zeitgenössischen Kunst Südostasiens, die die Art Stage seit Donnerstag in der äquatornahen Metropole Singapur präsentiert. Gibt es überhaupt ein länderübergreifendes Label „südostasiatische Kunst“?
„Gibt es denn ein Label europäische Kunst?“ kontert der Schweizer Art-Stage-Gründer Lorenzo Rudolf, langjähriger Direktor der Art Basel. Die geografische Nähe eint die Region: es geht um Asien zwischen China und Indien, die große eigene Kunstmärkte haben. Nach Geschichte, Religion und Sprache liegen Myanmar und Indonesien, die Philippinen und Thailand aber auf jeweils anderen Sternen.
„Zeitgenössische Kunst aus Südostasien war in Europa bis vor ein paar Jahren auf keinem Radar“, sagt der Berliner Galerist Matthias Arndt. Er sieht sich als Pionier: Er habe in Deutschland vor ein paar Jahren die erste Ausstellung mit Künstlern etwa aus den Philippinen und Indonesien gezeigt. Seit sechs Jahren ist er mit einer Galerie auch in Singapur und vertritt viele Künstler als Manager und Agent.
„Anfangs meinten Kollegen: was soll die Folklore-Übung?“ sagt Arndt. Nach dem großen Boom mit chinesischer Kunst interessierten sich Museen und Sammler jetzt aber sehr für zeitgenössische Künstler aus Südostasien. Entsteht hier für den Kunstmarkt das nächste China? „In zehn Jahren bestimmt“, sagt Arndt.
Dafür soll die Art Stage den Nährboden bereiten, als Marktplatz, als Dialogforum, als Informationszentrale. „Die zeitgenössische Kunst hat eine junge Geschichte hier“, sagt er. „Für viele Künstler ist es ein Bruch mit ihrer Kultur.“ Die sei lange geprägt gewesen von Traditionellem wie Kalligraphie und Scherenschnitt. Mit den Kolonialherren kamen neue Kunstschulen und neue Ideen aus dem Westen, das Malen in freier Natur oder die Porträtkunst etwa, sagt der Galerist Jacques Renaud. Daraus habe sich dann zeitgenössische Kunst mit Lokalkolorit, aber globalem Anklang entwickelt.
Der Franzose ist mit seiner Galerie ArtBlue in Singapur spezialisiert auf vietnamesische Kunst. Er stellt Nguyen Lam vor, der mit der Technik dynamischer Pinselstriche aus der Kalligraphie und Meditation in seinen abstrakten Werken die perfekte Schlichtheit kreieren will.
Auf der Messe sind mehr als 170 Galerien aus über 30 Ländern vertreten. Die Bandbreite ist riesig: vom Ölbild bis zur Videoinstallation, von goldenen Skulpturen über 3D-Bilder, Drucke und Collagen bis zu filigranen Fotobildern auf gespannten Bindfäden.
Der Thailänder Anon Pairot hat die Worte „happy“ und „life“ auf Leinwände geschrieben - wer näher tritt, sieht, dass er dazu tausende Plastik-Kakerlaken verwendet hat. „Bleibt Bedeutung bedeutungsvoll, wenn wir der Wahrheit hinter der Bedeutung näher kommen?“ fragt er.
Länder wie das bevölkerungsreiche Indonesien haben einen blühenden heimischen Kunstmarkt mit etablierten Künstlern und Sammlern. „Das ist Vorteil und Problem zugleich“, sagt Rudolf. „Die Sammler sind Freunde der Künstler, die deshalb gar keine Galerien brauchen. So fehlt aber die Infrastruktur für internationalen Erfolg.“ Nur wenige sind bekannt wie Entang Wiharso und Eko Nugroho, die auf der Biennale in Venedig 2013 zu sehen waren.
„Asiatische Kunst ist im Großen und Ganzen noch preiswert“, sagt Rudolf. Der Franzose Renaud bedient passionierte Sammler, die für seine abstrakten Nguyen Lam-Werke 14 000 Singapur-Dollar (rund 9000 Euro) hinlegen. Der Wert sei relativ, sagt er. „Wenn das Singapurer Kunstmuseum einen kaufen würde, könnte man schnell eine weitere Null an den Preis hängen“, sagt Renaud. Rudolfs Geheimtipp: Thailand. Aus der Tempelkunst habe sich dort eine höchst kreative Szene entwickelt.