Ausstellung: Notausgang als letzte Rettung

„Weiße Folter“ nennt Gregor Schneider seine Guantánamo-Schau im K21.

Düsseldorf. Gregor Schneider verwandelte 1998 den postmodernen Museumsbau in Mönchengladbach in ein klaustrophobisches Szenarium, durch das der Besucher auf allen Vieren kroch. Auf der Biennale in Venedig konterkarierte er 2001 den bombastischen Deutschen Pavillon, indem er sein "Haus ur"dorthin verpflanzte und die Nazivergangenheit des Gebäudes auf- und untergehen ließ. Was aber würde er im nüchternen, praktischen Untergeschoss vom K 21 tun? Wie zu erwarten, wird der ehemalige Sitz des Landtags zum Albtraum. Dabei beginnt alles so harmlos.

Die Treppe abwärts ist wie gehabt, aber sie endet vor der Feuerschutztür, die normalerweise nur nach Dienstschluss herunter gelassen wird. Dort beginnt die erste Unsicherheit. Der Besucher tastet wie ein Blinder an der Tür herum, bis er an der Barriere einen Schieber entdeckt. Nun steht er drinnen, in einem peinlich sauberen Korridor mit zwölf Zellen und hat sofort ein kafkaeskes Milieu im Kopf.

Wer den 38-jährigen Mönchengladbacher Künstler kennt, misstraut jedem seiner Räume. Er sei auch diesmal vorgewarnt. Denn der Gast trifft auf spiegelverkehrte Räume, sieht piekfeine Waschbecken und Toiletten aus Edelstahl, läuft über Linoleum, das die Schritte dämmt - und weiß plötzlich nicht, wohin es geht. Der Ausblick durch Glasfenster bringt nichts, denn dahinter steht eine Innenwand. Die Neonlampen erleuchten Räume, aber nicht die Situation. Was soll die Helligkeit, wenn Türen blind sind? Die Beeinflussung des Besuchers ist nicht konkret greifbar. In einem größeren Dreiecksraum könnte sich das Gefühl der Angst auflösen, denn von außen sieht das breite Fenster einladend aus. Der Eintretende hat jedoch einen Spiegel vor sich und sieht nichts anderes als sich selbst. Um mit Sartre zu sprechen, wird er auf sich zurückgeworfen.

Wir erlassen es dem Leser, das Labyrinth der Räume und Durchlässe detailliert zu beschreiben. Es gibt Gänge, die nicht weiter führen. Es geht vom Hellen ins Dunkle, vom Warmen ins Kalte oder Windige. Schließlich ist der Kunstgänger erleichtert, wenn ihn das Schild "Exit" tatsächlich über einen Notausgang zum Kaiserteich bringt. Hier kann er tief und erleichtert durchatmen.

Schneider thematisiert seit 15 Jahren den Raum, der für diesen Ausnahme-Künstler keine Hülle ist, um etwas auszustellen, sondern die Erweiterung des eigenen Ichs bringt. Seine Kunst wendet sich ans Raumgefühl, das Erlebnis des Besuchers gleicht einer psychischen Radikalkur.

In der Vergangenheit hat sich Schneider in die Museen und Galerien eingenistet, hat sie mit Figuren besetzt, von denen man nie wusste, ob sie etwa lebendig sind. Diesmal erinnert das Milieu an eine Isolier- oder Intensivstation. Niemand würde sich wundern, wenn er von einem Gefangenenwärter überwacht wird. Die fiese, weiße Atmosphäre ergibt etwas Lastendes, und selbst das Maigrün der gegenüber liegenden Zellen gaukelt die frische Luft nur vor. Alles weist darauf hin, dass man dort nicht glücklich werden kann.

Biografie Gregor Schneider, Jahrgang 1969, hat u. a. bei Fritz Schwegler in Düsseldorf studiert. Auf der Biennale in Venedig erhielt er 2001 den Goldenen Löwen, die höchste Auszeichnung für einen Künstler. "Weiße Folter" nennt er seine Räume in K 21.

K 21, Ständehausstraße 1, 40217 Düsseldorf. Bis 15. 7., di bis fr 10 bis 18, sa + so 11 bis 18 Uhr