Bilder der Macht aus Amerika
Das Bonner Kunstmuseum zeigt Mitch Epstein.
Bonn. Die alte Dame sitzt in ihrem Sessel, auf dessen Lehne eine Waffe liegt. In ihrem Fenster hängen zwei Überwachungskameras, mit denen sie das Grundstück vor ihrem Haus in Cheshire beobachten kann. Beulah "Boots" Hern, so berichtet Mitch Epstein auf seiner Internetseite "American Power", hat guten Grund, sich zu fürchten, denn sie hat sich von dem Energie-Multi American Electric Power Company (AEP) nicht aufkaufen lassen wie fast all ihre Nachbarn. Die Kleinstadt Cheshire in Ohio gleicht heute einer Geisterstadt im Schatten eines riesenhaften Kraftwerks.
2004 hat der US-Fotograf Mitch Epstein (58) seine Serie über Energieproduktion in den Vereinigten Staaten begonnen. Mehrere Jahre lang bereiste er die Orte, in denen "American Power" allgegenwärtig ist. Die in Bonn gezeigte Fotoserie mit dem gleichnamigen Titel konzentriert den Blick auf die in der Energieindustrie geballte Macht, die nicht nur in die Natur, sondern ebenso in die Gesellschaft verändernd eingreift. Dominant schieben sich Kühltürme und Raffineriegebäude, Kraftwerke und Schornsteine ins Bild und lassen alles andere winzig und läppisch erscheinen.
In den 1970er Jahren haben US-Künstler wie Gary Winogrand, William Eggleston und Stephen Shore begonnen, in Farbe zu fotografieren, seither ist die sozialdokumentarische Fotografie nicht mehr ausschließlich schwarz-weiß. Mitch Epstein war an der Cooper Union School, New York, Schüler von Winogrand. Auch er, ein herausragender Künstler der New Color Photography, wendet sich in seinen konzeptuellen Fotografien den bewohnten Rändern der von Menschen geprägten urbanen und halb-urbanen Landschaft zu.
In "Recreation - American Photographs", der früheren der beiden in Bonn gezeigten Serien, dreht sich alles um den Alltag jenseits der Arbeit. Wohin gehen die Menschen in ihrer Freizeit, was tun sie, wen treffen sie?
Da sind die zwei Mädchen im Bikini, die an einem öffentlichen Telefon stehen. Sie scheinen weder die beiden Männer noch ihre nackten Füße auf dem feuchten Betonboden zu bemerken.
Dicht stehen die in dunklem Khaki gekleideten Soldaten beieinander. Sie warten darauf, dass ihre Vietnam-Veteranen-Parade endlich beginnt. Sie lachen, die weißen Zähne blitzen ebenso wie die weiße Zigarette in der Hand, einige bunte Abzeichen leuchten in der Sonne. Der lapidare Charme der älteren Serie, entstanden aus dem Gefühl für skurrile Momente, hat sich bei "American Power" in kritischen Ernst ausgewachsen.
Im Bonner Kunstmuseum, Friedrich-Ebert-Allee 2, läuft die Ausstellung bis 23.1.2011; Di-So 11-18, Mi 11-21, Eintritt 7 Euro, Katalog 28 Euro.