Damien Hirst: Ein bisschen Ekel und viel Geld

Die Tate Modern in London zeigt die erste große Retrospektive von Damien Hirst.

London. Damien Hirst war sich sicher: „Museen sind für tote Künstler. Ich werde nie in der Tate Gallery ausstellen.“ Das sagte er 1996. Mittlerweile ist der Brite, der als teuerster lebender Künstler gilt, 46 Jahre alt und lässt in Interviews unverhohlen Anzeichen einer Midlife-Krise erkennen. Da ist es nur konsequent, dass das Museum Tate Modern in London am Mittwoch die erste große Retrospektive seines Werks eröffnet. Er habe es lange vermieden, überhaupt zurückzuschauen, sagt Hirst. „Aber jetzt, wo ich es endlich tue, ist es sehr aufregend.“

Die Ausstellung ist Teil des Kulturprogramms zu den Olympischen Spielen und wird gesponsert vom Emirat Katar. Dass sie Ekel und Kopfschütteln, Ärger und Schmunzeln hervorrufen wird, ist einkalkuliert. Dass sie ein Publikumsrenner dieses Sommers wird, auch. Denn Damien Hirst hat es in seiner 25-jährigen Karriere stets verstanden, provokante Kunst und ausgefeiltes Marketing zu verbinden.

Die Kuratorin Ann Gallagher schöpft aus dem Vollen, sie präsentiert Kollagen der Anfangsjahre, die präzise vermessenen Punktebilder, Medizin-Kabinette sowie Exemplare aus jeder seiner spektakulären Serien. Natürlich ist der in Lebensgröße konservierte Hai zu sehen, der den angestrengten Titel trägt: „Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden“. Der Katalog nennt es „eines der symbolträchtigsten Werke der Kunst des späten 20. Jahrhunderts“. 1993 hat Hirst eine Kuh und ihr Kalb halbiert und die Teile auf vier Vitrinen verteilt. In einem tropisch warmen Raum flattern riesige echte Schmetterlinge, werden mit Früchten und Zuckerwasser gefüttert, verpuppen sich an weißen Leinwänden.

In der Installation gleich dahinter sind tausende Fliegen in getrockneter Farbe erstarrt. Hirst lässt zarte Schönheit und massenhaftes Sterben aufeinanderprallen, Heiliges und Profanes sind für ihn keine Gegensätze, er kultiviert den Schockeffekt.

In der ehemaligen Turbinenhalle wird das teuerste Werk in einem schwarzen begehbaren Kasten wie eine Reliquie präsentiert: „For the Love of God“ — der Platin-Abguss eines Schädels aus dem 18. Jahrhundert, besetzt mit 8601 Diamanten, daneben stehen Sicherheitskräfte.

Hirst wuchs in einem Arbeiterviertel auf. Heute wird sein Vermögen auf 250 Millionen Euro geschätzt. Er ist die Galionsfigur für die radikalen Veränderungen auf dem Kunstmarkt seit den 1980er Jahren: die Entwicklung der Kunst zur Ware und zur Marke. Das hat Kritiker und Neider nie ruhen lassen. Zuletzt orakelte der britische Ausstellungsmacher Julian Spalding in der Zeitung „Independent“, die Preisblase dieser Konzeptkunst werde in naher Zukunft platzen, einfach weil sie keine Kunst sei. Hirst und seine Kuratoren reagierten dünnhäutig, aber noch ist ein Preisverfall nicht abzusehen.