Denn alle Kunst will Sammler

Das Von der Heydt-Museum breitet die Schätze von Wuppertaler Kunstsammlern aus. Unterschiedliche Profile treten zutage.

Wuppertal. "Ich kaufe ausschließlich Kunst, die ich nicht verstehe." Mit einem einzigen Satz stellt Christian Boros die gängige Vorstellung von einem Kunstsammler auf den Kopf. Da passt es bestens, dass er nun in der Stadt, ohne die seine Begeisterung für zeitgenössische Kunst gar nicht denkbar wäre, demonstrativ zeigt, was er nicht versteht.

Denn Privates ist öffentlich - zumindest in Wuppertal. Das Von der Heydt-Museum feiert jetzt einzelne Künstler und die, die sie aufspüren, fördern und begleiten. "Privat" heißt die Ausstellung, die mit 160 Beispielen öffentlich macht, dass das Engagement aufgeschlossener Mäzene im Bergischen Land Tradition hat. Kuratorin Antje Birthälmer stellt sechs bedeutende Wuppertaler Sammler(paare) vor - und holt Werke, die bislang fast ausschließlich im privaten Raum hingen, auf städtisches Terrain.

So kommt ein Filzanzug von Joseph Beuys (1970) der "Goldbraunen Schillerbüste" (1978) von Gerhard Merz nahe. Gerhard Richters "Sekretärin" (1964) trifft auf die "Fußballer" von Konrad Fischer-Lueg (1964). Andreas Brandt (1974) bringt "Blau - Rot - Gelb" gestreift auf die Leinwand, während Michel Majerus inseine "Danger Zone" (’97) mahnend schreibt: "In der Kunst sind Worte und visuelles Material der erste Schritt zu Missverständnissen, und Abstraktion ist eines dieser gefährlichen Worte."

Der Reiz liegt im Gegensätzlichen. Deshalb steuert Christian Boros nicht nur Arbeiten des Fotokünstlers Wolfgang Tillmans bei, die eine radikale Sicht auf nackte Tatsachen, Männer und Frauen anbieten. Daneben finden sich zarte Aquarelle von Dirk Stewen - fast kommt es einem vor, als brüte eine bösartige kleine Wucherung in einigen Stellen der fast durchscheinenden Gestalten. Dass Werbe-Fachmann Boros bei der Gestaltung des empfehlenswerten Katalogs ein entscheidendes Wort mitgesprochen hat, versteht sich. So wird ein Skelett, das Ulla von Brandenburg mit Tusche auf Ringbuchpapier gebannt hat, zum Leitmotiv für die Schau. Denn Boros mag Symbole der Vergängnis: "Weil sie uns immer erinnern, dass wir noch leben."

Auch Geschäftsführer Hans-Georg Lobeck bewegt sich als Sammler am Puls der Zeit. Er setzt auf Werke, die die Abgründe der labilen Psyche erforschen, und damit unter anderem auf den Wuppertaler Andreas Junge. Nicht weit davon stehen die konkret-konstruktiven Arbeiten, die Jürgen W. Holze und seine Frau Hildegard 2001 dem Museum schenkten.

Zu den bedeutenden Mäzenen der Schwebebahnstadt gehörte auch Rolf Jährling (1913-1991), der die legendäre Avantgarde-Galerie Parnass 1949 im damals noch kriegszerstörten Wuppertal gegründet hat. Anfang der 60er Jahre wurde sie durch Joseph Beuys, Nam June Paik und Wolf Vostell zum wichtigsten Forum der Fluxus-Bewegung. Auch Gustav Adolf und Stella Baum erkannten im Sammeln zeitgenössischer Kunst ihre persönliche Chance, am Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg teilzuhaben.

Dazu gesellt sich Bazon Brock. Der Wuppertaler Ästhetik-Professor präsentiert Gerhard Merz, Werner Büttner und Tilo Baumgärtel. Boros, der bei Brock studiert hat und mit seiner umfangreichen Sammlung an Gegenwartskunst inzwischen in einen Weltkriegs-Bunker nach Berlin umgezogen ist, stellt in seiner Heimatstadt "Stars" der jüngeren internationalen Szene vor. Aus gutem Grund: "Meine Kunst hat sehr viel mit Wuppertal zu tun. Hier bin ich infiziert worden." Auf die Eröffnung freut er sich, obwohl oder weil der Privatsammler weiß: "Was bleibt, ist die Kunst. Man wird sich nicht an den erinnern, der sie sammelt."