Aufklärung Expertin: Debatte um koloniales Erbe „bitter nötig“
Berlin (dpa) - In der Debatte um die koloniale Vergangenheit ethnologischer Sammlungen gibt es nach Expertenmeinung großen Nachholbedarf. „Die Diskussion ist bitter nötig“, sagte die Berliner Sozialanthropologin Prof. Katharina Schramm in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
„Gerade bei so einem ambitionierten Haus wie dem Humboldt Forum muss sie mit großer Offenheit und Transparenz geführt werden.“
Das Humboldt Forum soll 2019 als Kultur- und Museumszentrum im rekonstruierten Berliner Schloss öffnen. Schwerpunkt wird die völkerkundliche Sammlung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sein.
Allein der „bombastische Bau“ wird nach Einschätzung von Schramm eine kritische Auseinandersetzung mit den Objekten erschweren. „Das Konzept setzt stark auf die Neugier der Besucher und den spektakulären Charakter der Schaustücke“, sagte sie. „Wie will man das mit einem kritischen Blick verknüpfen? Dazu ist bisher zu wenig gesagt, zu wenig gedacht worden.“
Die Aufklärung über die Herkunft der Objekte darf sich nach Ansicht von Schramm zudem nicht allein auf die Frage konzentrieren, ob sie einst den Herkunftsgesellschaften geraubt oder gewalttätig entzogen wurden.
„Auch Schenkungen und Ankäufe stehen in kolonialen Zusammenhängen. Frühe Formen touristischer Souvenirs wie Speere und Trommeln kamen massenweise in die europäischen Sammlungen“, sagte Schramm, die am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin lehrt und forscht.
„Das hat entscheidend dazu beigetragen, stereotype Bilder sogenannter außereuropäischer Kulturen zu verfestigen und dabei postkoloniale Verflechtungen zu verwischen.“ Dies müsse im Umgang mit den Sammlungen viel deutlicher gemacht werden.
Auslöser der Debatte war der Rücktritt der französischen Ethnologin Bénédicte Savoy aus dem Beraterkreis des Humboldt Forums. Sie hatte den Verantwortlichen vorgeworfen, sich nicht genügend um die Aufklärung des kolonialen Erbes zu bemühen.