Hommage an Sigmar Polke in Berlin
Berlin (dpa) - Am Anfang stand die Kartoffelmaschine. Der skurrile „Apparat, mit dem eine Kartoffel die andere umkreisen kann“, war 1969 die erste Arbeit, die der später so berühmte Künstler Sigmar Polke für den Kunstverlag des Grafikers Klaus Staeck schuf.
Das Objekt erschien in einer Auflage von 30 Exemplaren. Eine Originalversion ist jetzt ein Glanzstück der Ausstellung „Sigmar Polke. Eine Hommage“, die bis zum 13. März in der Berliner Akademie der Künste zu sehen ist.
Der Plakat-Karikaturist Staeck, heute Präsident der ehrwürdigen Akademie am Brandenburger Tor, stellt den zeitlebens so publikumsscheuen Kunststar auf ungewöhnliche Weise vor. Die Idee zu der posthumen Ehrung sei noch an Polkes Grab entstanden, berichtete Staeck vor der Eröffnung der Schau am Donnerstagabend. „Es ist eine sehr persönliche, private, beinahe intime Ausstellung, in der auch Dinge zu sehen sind, die man normalerweise nicht zeigt.“
Polke, einer der auch international bedeutendsten Künstler der Gegenwart, war im Juni mit 69 Jahren in Köln an Krebs gestorben. In der Akademie der Künste sind 90 teils großformatige Blätter des Künstlers ausgestellt - neben großen gesellschaftskritischen Kollagen auch Skizzen, Entwürfe, Briefe und Fotografien, die von dem Menschen Polke erzählen. Staeck hat für die Schau sein privates Archiv geöffnet und gibt Einblick in die 40-jährige Arbeitsfreundschaft.
„Unsere besondere Beziehung beruhte wohl mit darauf, dass ich für Sigmar Polke immer Künstlerkollege war, nicht nur Verleger oder Galerist“, sagte Staeck. Wenige Jahre nach der Kartoffelmaschine erschien in seinem Verlag (Edition Staeck) das Polke-Buch „Bizarre“ mit übermalten CDU-Plakaten zur Bundestagswahl 1972. In der Akademie sind jetzt die Andrucke des Buches zu sehen - bezeichnenderweise auch mit einem Foto des Plakats, das Klaus Staeck einst bei der 68er- Generation unvergessen machte: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“.
Herzstück der Ausstellung ist die riesige zehnteilige Werkgruppe „Wir Kleinbürger. Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“ (1974-1976). Sie markiert nach Angaben des Dresdner Kunsthistorikers Dietmar Rübel einen Wendepunkt im Schaffen Polkes. Nach seinen berühmten Rasterbildern im Stile des „Kapitalistischen Realismus“ habe er in den 70er Jahren die Attacke auf gesellschaftliche Normen begonnen. In einem bunten Universum aus Zeichen und Figuren geht es um Sex und Drogen, Armut und Ausbeutung, Magie und Terror. „Es sind Testbilder, ob der Kleinbürger das noch aushält“, so Rübel.
Dass die Zusammenarbeit mit Polke nicht immer ganz einfach war, dokumentiert Staeck unter anderem mit einer mehr als 100 Seiten umfassenden Fax-Korrespondenz. „Wir sollten jetzt zu einem verbindlichen Termin kommen“, schreibt er dem Künstler ein ums andere Mal - und bekommt entweder gar keine Antwort oder Zeilen wie: „Ich muss leider nach Frankreich. Junge kommt bald wieder.“ Wenn es gelegentlich dann doch zu einem Treffen gekommen sei, habe dieses meist viele feuchtfröhliche Stunden gedauert, erzählt Staeck. „Es wurde immer zu einem kleinen Fest voller Heiterkeit und ironischem Schlagabtausch.“