Kunst und Aktivismus: Ai Weiwei in London

London (dpa) - Etwas verloren steht Ai Weiwei unter seiner gigantischen Bauminstallation im Innenhof der Royal Academy (RA) in London. Bei der Eröffnung einer großen Retrospektive seiner Werke dabei sein zu können, ist für den 58 Jahre alten Künstler aus China neu.

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Es komme ihm alles „etwas unwirklich“ vor, bekannte Ai gegenüber RA-Direktor Tim Marlow. Bei rund 100 seiner Ausstellungen in den letzten fünf Jahren konnte er wegen seiner Verfolgung durch die chinesischen Behörden nicht anwesend sein.

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„Meine Kunst ist von meinem sogenannten Aktivismus nicht zu trennen“, sagte Ai vor der Eröffnung. Auch in London bleibt er im Rampenlicht. Gemeinsam mit seinem anglo-indischen Kollegen Anish Kapoor und einigen Hundert Sympathisanten veranstaltete er am Donnerstag einen Solidaritäts-Spaziergang für Flüchtlinge. Mit warmen Decken zogen sie an Londoner Wahrzeichen wie dem Regierungssitz Downing Street 10 und dem Parlamentsgebäude an der Themse vorbei. Dies solle als Symbol dafür dienen, dass das Schicksal der Flucht zurzeit viele Millionen treffe.

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Am Mittwoch enthüllte Ai Weiwei bereits in der Londoner City eine 10 Meter hohe Installation aus mehr als 1200 Fahrradgestellen.

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Die Londoner Schau, so schwärmte Ai, sei genau so ausgefallen, wie er es sich vorgestellt habe. Intensiv hatte der Künstler und Architekt über Video, Skype und E-Mail aus der Ferne an der Konzeption der Ausstellung „Ai Weiwei“ mitgearbeitet, die an diesem Samstag (19.9.) für das Publikum geöffnet wird.

Ai, Ehrenmitglied der RA, hat von den chinesischen Behörden Ende Juli überraschend seinen Reisepass zurückbekommen, der ihm nach seiner 81-tägigen Inhaftierung 2011 vorenthalten worden war. Er lebt jetzt hauptsächlich in Berlin. Die Londoner Retrospektive gibt einen Überblick über seine Arbeit seit 1993, dem Jahr seiner Rückkehr nach China nach mehr als einem Jahrzehnt in New York.

Große Installationen dominieren unter den 48 Exponaten. Die Allee aus zur Skulptur geformten Überresten toter Bäume im Innenhof mahnt, so Marlow, zum Nachdenken und Anhalten - wie alle übrigen Exponate auch.

Die Neugier auf den Künstler und Menschenrechtler aus China ist groß. Schon vor der Eröffnung nutzten Schulklassen die Baumallee zu einem Picknick. Ais Talent, durch die „poetische Umwandlung von Material“ aus Altem etwas Neues zu schaffen und damit die Werte des heutigen China zu hinterfragen, werde zu einem besseren Verständnis von Geschichte, Kultur und Gegenwart führen, sagte Marlow.

Per Schiff wurde die fast 100 Tonnen schwere Installation „Straight“ (Gerade) nach London transportiert. Sie besteht aus Stahlstäben zusammengestürzter Schulen von dem Erdbeben von Sichuan 2008. Sie soll laut Ai ein Denkmal sein.

„Straight“ nimmt den zentralen Raum der Ausstellung ein, an dessen Wänden die Namen der rund 5000 Schüler verzeichnet sind, die bei dem Beben vor sieben Jahren ums Leben kamen. Die seismische, wellenförmige Skulptur zwinge zum Schweigen, hieß es in der Galerie. „Ai sucht Chancen in der Zerstörung“, erläutert Kurator Adrian Locke.

Aufrüttelnd ist auch das Projekt S.A.C.R.E.D., in dem der Künstler mit der Rekonstruktion von Gefängniszellen seine Verfolgung und Inhaftierung dokumentiert. Besucher haben durch Guckfenster Einblick in die sechs Boxen, in denen Ai und seine ständigen Bewacher in halber Lebensgröße erscheinen - und Klo, Bett und Kleiderschrank wie in einer Puppenstube nachgebildet sind. Der Häftling wird ständig überwacht - beim Essen, Schlafen und Toilettengang.

Umrandet ist der letzte Raum der Ausstellung mit einer goldfarbenen Tapete mit Motiven von Verfolgung und Freiheit: etwa Twitter-Logo, Handschellen und Überwachungskameras. Entlassen wird der Besucher in das helle Licht eines riesigen Kronleuchters aus Fahrradgestellen und Kristall. Das edle Glas, so wird erläutert, stammt aus derselben Quelle wie die Beleuchtung der Großen Halle des Volkes in Peking.