Matisse-Gemälde aus Gurlitt-Sammlung zurückgegeben
München (dpa) - Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass die Experten der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ zu dem Ergebnis kamen: Bei der „Sitzenden Frau“ von Henri Matisse handelt es sich ganz klar um Raubkunst.
Das Bild wurde dem jüdischen Kunstsammler Paul Rosenberg von den Nationalsozialisten geraubt. Es dauerte aber noch ein quälendes Jahr, bis die Erben das wertvolle Ölgemälde wieder in ihren Händen halten konnten. Am Freitag war es so weit.
„Die vergangenen 18 Monate waren eine Achterbahnfahrt“, sagte Christopher Marinello von der Organisation Artrecovery, der die Rosenbergs in der Sache vertritt. „Wir hatten nicht erwartet, dass es so lange dauert.“
Die Nazis hatten das wertvolle Gemälde in Paris geraubt. Es befand sich im Besitz von Hermann Göring, bevor es später über Umwege in die Sammlung Gurlitt gelangte. Wie genau, ist unklar. „Der Weg des Gemäldes nach 1942 ist nur bruchstückhaft belegt“, heißt im Abschlussbericht.
Das Bild wurde - zusammen mit Hunderten anderen - im Jahr 2012 in der Wohnung von Cornelius Gurlitt in München-Schwabing beschlagnahmt. „Ungerahmt und ohne Keilrahmen“, wie es in dem Bericht heißt. Es müsse jetzt erstmal gründlich gereinigt werden, sagte Marinello.
Bis zum Bekanntwerden des Kunstfundes hatte die Familie Rosenberg schon jahrzehntelang danach gesucht. Das Bild war in die Online-Datenbank Lostart zur Suche nach verlorenen Kunstgegenständen eingestellt.
Schon Anfang 2014 hatte alles so ausgesehen, als seien Rosenbergs Erbinnen, Elaine Rosenberg aus New York und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, am Ziel. Nach Angaben von Gurlitts Anwälten war eine Übergabe des Bildes ausgehandelt. Doch am 6. Mai 2014 starb Gurlitt. Unter anderem weil seine Cousine Uta Werner sein Testament und die darin festgehaltene alleinige Erbschaft des Kunstmuseums Bern anzweifelte, verzögerte sich die Übergabe um weitere Monate.
Gurlitt, der Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem der vier Kunsthändler Adolf Hitlers, hatte sich kurz vor seinem Tode bereiterklärt, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen. Das heißt, dass er von den Nazis geraubte Bilder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben wollte. „Diese Verpflichtung bindet auch seine Erben“, sagte kurz nach seinem Tod die Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel. Doch das alles dauerte.
Ein glückliches Ende gab es auch für die rechtmäßigen Besitzer des Bildes „Zwei Reiter am Strand“ von Max Liebermann. Sie konnten das Gemälde bereits am Mittwoch entgegennehmen. Der New Yorker Anwalt David Toren hatte das Bild des Berliner Malers (1847 - 1935) schon frühzeitig für sich und seinen Bruder zurückgefordert und im März 2014 sogar die Bundesrepublik Deutschland und Bayern vor einem Gericht in Washington verklagt - wegen Kunstraubes durch die Nazis. Der heute in New York lebende Toren hatte nach Angaben seines Anwalts mit 14 Jahren aus Deutschland fliehen müssen.
Die Rückgabe dieser beiden bekannten Bilder aus der Sammlung dürfte auch die Hoffnung der rechtmäßigen Besitzer anderer Raubkunst-Bilder aus der Sammlung Gurlitt nähren. Bislang bestätigte die Taskforce noch bei zwei weiteren Werken den Verdacht auf Nazi-Raubkunst: Carl Spitzwegs „Das musizierende Paar“ und „La Seine vue du Pont-Neuf, au fond le Louvre“ von Camille Pissarro. Bei Hunderten anderen Bildern dauern die Untersuchungen noch an.
Marinello und die Familie Rosenberg hoffen auf eine positive Signalwirkung durch die Rückgabe der „Sitzenden Frau“. Aus dem Fall Gurlitt sei viel zu lernen. „Andere Opfer können dadurch die Hoffnung schöpfen, dass es nie zu spät für eine Anspruchserhebung ist und bedingungslose Rückgabe durchaus möglich ist“, heißt es in einem Schreiben der Familie. Ähnlich sieht es ihr Anwalt: „Ich denke, es muss eine Balance geben zwischen der Bürokratie und den Ansprüchen der rechtmäßigen Besitzer“, sagte Marinello. „Wir haben es hier mit Menschen zu tun, und zwar mit Menschen, von denen einige schon sehr alt sind.“