Museen prüfen ihre Antiken-Sammlungen
Essen (dpa) - Eine wahre Sammelwut hatte das Badische Landesmuseum Karlsruhe in den 70er und 80er Jahren erfasst. „Es waren schon fast Bestellungen“, sagt Katarina Horst, Abteilungsleiterin Sammlung und Wissenschaft, über die Ankaufpolitik des Hauses.
5000 Jahre Kulturgeschichte der Völker präsentiert das Museum - dazu gehören auch frühgriechische Kulturen. Und mit Griechenland kam es dann auch zum Streit über die Rückgabe von Objekten. „Es wurde nicht vergessen“, sagt Horst bei der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes in Essen. Irgendwann habe man sich gemeinsam an den Tisch gesetzt. Das Museum habe zwei antike Kykladen-Objekte zurückgegeben. Die Griechen hätten ja gar nicht alles zurückhaben wollen. „Es ging um das Zeichen der Wiedergutmachung“, sagt Horst.
Während die Suche nach NS-Raubkunst in deutschen Kunstmuseen nicht zuletzt durch den Fall Gurlitt auf Touren kommt, entwickelt sich erst zögernd ein Bewusstsein für das koloniale Erbe in archäologischen und ethnologischen Sammlungen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) fordert nun, dass die Museen auch die Herkunft ihrer Objekte erforschen sollen, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute in Sammlungen gelangten.
Anfang kommenden Jahres soll in Deutschland zudem ein Gesetz zum Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgut in Kraft treten. Aufgerüttelt hat die Politik dabei der blutige Feldzug der Terrormiliz IS im Nahen Osten, der auch vor der Zerstörung antiker Stätten nicht haltmacht. Die noch größere Bedrohung aber sind nach Ansicht von Experten die zahllosen Raubgrabungen.
„Es ist keineswegs alles geklaut“, sagt Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin, mit Blick auf Sammlungen in Deutschland. Das berühmte Ischtar-Tor aus Babylon oder die Nofretete etwa seien einst legal nach Berlin gekommen. Aber die Museen hätten oft „keinen umfassenden Überblick“ über die Herkunft ihrer Sammlungen. In den Museen lagern Millionen von Objekten. Allein das Vorderasiatische Museum beherbergt über das berühmte Ischtar-Tor hinaus rund 500 000 Exponate.
Hilgert fordert einen „Masterplan“ für eine unabhängige Provenienzforschung in allen Museen. Alle Herkunftsquellen müssten offengelegt und in Ausstellungen öffentlich gemacht werden. „Auch die Besucher archäologischer Museen fordern zunehmend Informationen zur Provenienz ein.“
Weltweit seien Länder in Zeiten des Kolonialismus „systematisch geplündert“ worden, sagt Hilgert. Die Provenienzforschung bei Antiken werde trotzdem kaum dazu führen, dass Museen ihre kompletten Sammlungen zurückgeben müssten. Wo es Streitfälle gebe, sollte zwischen beiden Seiten vermittelt werden. Durch einen offenen Umgang mit der Herkunft von archäologischen Sammlungen würden auch die außenpolitischen Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten verbessert.
Inès de Castro, Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums, kann auch von einem „ausgeklügelten System“ von illegalen Antiken-Einfuhren aus Lateinamerika nach Deutschland berichten - Bezahlung nach Lieferung. Auch dieser Markt soll mit dem neuen Gesetz ausgetrocknet werden.
Aber auch Erbschaften und Nachlässe, die völkerkundliche Museen fast wöchentlich bekommen, sind problematisch. „Der Klassiker bei uns ist: „Es wurde an der Pforte abgegeben“, sagt de Castro. Oft handele es sich dabei um „archäologische Massenware“, die der Großvater mal gesammelt hat und die die Enkel nun loswerden möchten.
Ein Aufbewahrungsort sollen Museen nach Ansicht Hilgerts für „geschenkte“ Objekte aber nur sein, wenn die Herkunftsländer einverstanden sind. Er jedenfalls gab kürzlich ein rund 4000 Jahre altes sumerisches Ziegelfragment dem Irak zurück. Der Ziegel hatte im Briefkasten des Museums gelegen. Der Absender hatte ihn 1980 als „Souvenir“ mitgebracht.