Museum Folkwang zeigt Paul Klees Engel

Essen (dpa) - „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar“, sagte Paul Klee einmal. Mit seinen Engel-Darstellungen scheint der deutsch-schweizer Künstler diese These wörtlich genommen zu haben.

Schon als Fünfjähriger malte Klee das Christkind mit Flügelchen am Weihnachtsbaum. In seinen letzten Lebensjahren 1938 bis 1940, als Klee bereits schwer krank war, wurden Engel-Bilder zu einer seiner wichtigsten Werkgruppen.

Erstmals ist den Engeln Klees nun eine eigene Ausstellung gewidmet. Das Essener Museum Folkwang zeigt rund 80 Werke, zumeist hochempfindliche Zeichnungen und Aquarelle. Die aus Bern übernommene Ausstellung, wo das Paul Klee Zentrum den umfangreichsten Schatz an Arbeiten des Künstlers (1879-1940) hütet, ist damit eine Besonderheit. Denn noch nie wurden die Engel Klees zusammen präsentiert.

Typisch für Klee ist, dass er trotz seiner Todesahnungen oft fröhliche, sympathische, kindliche Engel mit kleinen Schwächen aufs Papier brachte. „Es sind keine trostlosen oder mutlosen Arbeiten, sondern ausgesprochen pfiffige und witzige Engel“, sagt Kurator Tobias Burg.

Engel müssen bei Klee erst einmal zu Engeln werden: Der „Engel im Kindergarten“ ist ein kleines Wesen, das noch den Daumen in den Mund stecken will. Das Aquarell „Engel noch tastend“ zeigt ein freundliches blondes Engels-Mädchen mit noch blinden Augen. Engel werden „bald flügge“, oder sind „noch weiblich“ - die Titel sprechen bei Klee immer für sich.

Wie die Karikatur eines göttlichen Postboten wirkt die scheinbar eilig zu Papier gebrachte Zeichnung „Ein Engel überreicht das Gewünschte“ (1913). Schmunzeln kann man auch bei der Zeichnung „Ein Genius serviert ein kleines Frühstück“ (1920) - mit Ei im Übrigen. Meisterhaft verstand es Klee, mit sparsamen Linien und feiner Ironie verschmitzte, weinende, zweifelnde und hoffende Engel zu malen, sie mal in eine Gespensterwelt und dann wieder in irdische Zusammenhänge zu stellen.

Die Vielfalt der Seelenlagen mag auch Ausdruck der schwankenden Gefühlswelt des schwer kranken und von den Nazis verfemten Künstlers sein. Auf einem Engelskopf lastet ein Stein zur „Belastung-Probe“, ein anderer Bote schreitet forsch den „Letzten Erdenschritt“.

Die Übergänge zur abgründigen Seite der Engel sind bei Klee nah, die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht immer zu erkennen. Aggressiv und oft ohne Augen rücken gefallene Engel ins Bild - und das erstmals 1933, im Jahr des Machtantritts Hitlers. Im gleichen Jahr vertrieben die Nazis den ehemaligen Bauhaus-Lehrer von der Kunstakademie Düsseldorf. Der Erzengel Luzifer und der Teufel mit Flügeln segeln oder stürzen zur Erde. „Chindlifrässer“ heißt eine kindlich anmutende Zeichnung von 1939: Ein grotesker Racheengel mit spitzen Zähnen und ein paar spärlichen Haaren auf dem Kopf frisst Kinder auf.

Der berühmteste Engel Klees, die Ölpausenzeichnung „Angelus novus“ aus dem Jahr 1914, ist in der Schau als sorgfältig reproduziertes Faksimile zu sehen. Das fragile Original hängt im Israel-Museum in Jerusalem. Das Bild des Engels mit dem übergroßen Kopf und den krallenähnlichen Füßchen gehörte einst dem Philosophen Walter Benjamin und inspirierte ihn zu seiner letzten Schrift „Über den Begriff der Geschichte“ (1940).

Sogar in Film und Musik wird die Beziehung zwischen dem „Angelus Novus“ und Benjamin, der sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm, thematisiert. In Wim Wenders' von Engeln bevölkertem Kultfilm „Der Himmel über Berlin“ (1987) wird Benjamins Essay zitiert. Auch die US-Musikerin Laurie Anderson widmete ihm einen Song in ihrem 1989 erschienen Album „Strange Angels“.