Schirn stellt Pioniere des Comic vor
Frankfurt/Main (dpa) - Mit seinen deutschen Kirchtürmen und Dorfkernen gehört der Maler Lyonel Feininger (1871-1956) zu den wichtigsten Vertreter der klassischen Moderne.
Sein Vorleben als erfolgreicher Comic-Zeichner ist dagegen wenig bekannt. Der Sohn einer deutschstämmigen Familie, der in New York und Berlin aufwuchs, hat Anfang des 20. Jahrhunderts für die Zeitung „Chicago Tribune“ gearbeitet.
Feininger ist einer der sechs amerikanischen Comic-Pioniere, denen die Frankfurter Schirn vom 23. Juni bis 18. September eine große Ausstellung widmet. Außerdem wird das zeichnerische Werk von Winsor McCay, Charles Forbell, Cliff Sterrett, George Herriman („Krazy Kat“) und Frank King („Gasoline Alley“) vorgestellt.
Gezeigt werden mehr als 200 Comic-Seiten, die von 1905 bis in die 1940er Jahre reichen. Darunter sind auch seltene Originalzeichnungen. Die Schau will beweisen, dass die Zeichner als etwas „andere Avantgarde“ künstlerische Entwicklungen im Surrealismus oder Expressionismus vorwegnahmen.
Bei Feininger zum Beispiel wird eine Linie von seinen frühen zeichnerischen Arbeiten zu den späteren Gemälden gezogen. Schon im Comic tauchten Kirchtürme oder alteuropäische Städte auf, sagt Kurator Alexander Braun. Bei Sterrett, der sich in seinen Comics in psychedelischen Wäldern mit fantastischen Pflanzen ergeht, sieht er Verbindungen zu Kandinsky. Und McCay wird - lange vor Salvador Dalí und René Magritte - als erster Surrealist gefeiert. Es geht um seinen Erfolgs-Strip „Dream of the Rarebit Fiend“, der Alltagsprobleme im Traum beschreibt.
Der um 1897 in den USA entstandene Comic war - oft farbig und sehr groß - Teil der amerikanischen Zeitungen. Die Revolution in der Drucktechnik und das Ende des Papiermangels machte die völlig neue Bildersprache und Populärkultur möglich. Erst in den 1930er Jahren entstanden auch Comic-Hefte.
McCay gilt nicht nur als Übervater des frühen Comics, sondern auch als Erfinder des Zeichentrickfilms. „Gertie, the Dinosaur“ - die Schirn zeigt Ausschnitte - versetzten die USA 1914 in eine „Dinomania“. Herriman wiederum wurde mit seinem Slapstick „Krazy Kat“ (ab 1913) zum Vorläufer von Mickey Mouse oder Tom und Jerry.
In Deutschland wurde mit Sprechblasen in Bildern immer etwas Vulgäres verknüpft. Gerade in der Nachkriegszeit galt der Comic als pädagogisch verpönt - er passte nicht zur „Hochkultur“. Die Ausstellung will da Wiedergutmachung betreiben. Auch der Comic sei Teil des „kulturellen Kanons“, sagt Kurator Braun. Ob man jeder seiner kunsthistorischen Thesen nun folgen mag oder nicht: Er hat eine anregende Themenausstellung geschaffen.