Suche nach Nazi-Raubkunst: Ruf nach mehr Informationen

München (dpa) - Viele Kunstwerke des Münchner Kunstfundes stammen möglicherweise aus Museen in Deutschland. Mehrere Häuser wollen nun prüfen lassen, ob darunter auch Bilder sind, die ihnen von den Nazis geraubt wurden.

Auch jüdische Familien hoffen auf Erkenntnisse über ihre vermissten Werke.

Der Ruf nach mehr Auskünften über die Sammlung von Cornelius Gurlitt wird deshalb immer lauter. Das Zentralregister für Raub- und Beutekunst in London forderte die Bundesregierung auf, möglichst schnell eine Liste der Kunstwerke zu veröffentlichen. Die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion erwägt bereits Konsequenzen für den künftigen Umgang mit Raubkunst in Privatbesitz.

Unter den 1400 Bildern, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt wurden, wird auch Nazi-Raubkunst vermutet. Sie soll über Gurlitts Vater Hildebrand in die Familie gekommen sein, der im NS-Kunsthandel eine zentrale Figur war. Der Provenienzforscher Uwe Hartmann aus Berlin vermutet allerdings, dass die Schätze Gurlitt zum großen Teil rechtmäßig gehören. „Wahrscheinlich hat Hildebrand Gurlitt viele Arbeiten selbst gekauft und einen Kaufpreis an das Propaganda-Ministerium entrichtet“, sagte er. „Nach der damaligen Rechtslage war er der rechtmäßige Erwerber. Die Bilder gehörten ihm. Und an diesem rechtlichen Status quo ist nie etwas verändert worden.“

Anne Webber vom Zentralregister für Raub- und Beutekunst in London forderte die Bundesregierung auf, das Washingtoner Abkommen zum Umgang mit Raub- und Beutekunst einzuhalten. Sie müsse ein Verfahren einrichten, das es rechtmäßigen Besitzern ermögliche, ihre Werke schnell zurückzubekommen. Seit Bekanntwerden des Bilderfundes wird die Commission for Looted Art in Europe laut Webber mit Anfragen von Familien überflutet, die auf der Suche nach Nazi-Raubkunst sind.

Auch die Staatsanwaltschaft in Augsburg, die gegen Gurlitt wegen Unterschlagung und Steuerdelikten ermittelt, hat schon zahlreiche Anfragen bekommen. Darunter dürften auch deutsche Museen sein. So prüft die Stadt Mannheim, ob sie den Farbholzschnitt „Melancholisches Mädchen“ von Ernst Ludwig Kirchner zurückfordern kann. Der Holzschnitt sei 1937 von den Nazis beschlagnahmt worden und habe als verschollen gegolten, berichtete die Kunsthalle Mannheim. Das Werk war eines der elf Bilder, von denen die Staatsanwaltschaft am Dienstag bei einer Pressekonferenz Fotos gezeigt hatte.

Auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wollen Auskunft von der Augsburger Staatsanwaltschaft bekommen. Seit der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ vermissen sie rund 50 Gemälde sowie bis zu 400 grafische Blätter der klassischen Moderne. Energische Worte fand der Direktor des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, Gerhard Finckh. „Es wäre viel besser gewesen, wenn die Bilder ins Netz gestellt worden wären, damit wir als Beraubte prüfen können, ob sich Werke aus unserer Sammlung darunter befinden.“

Auch das Museum Folkwang in Essen sprach von einer „begründeten Vermutung“, dass sich gestohlene Werke in der Sammlung befinden könnten. Die im Zuge der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ entwendeten Bilder seien zu einem großen Teil über Gurlitts Vater Hildebrand veräußert worden, sagte Direktor Tobia Bezzola.

Genauere Informationen hat der Direktor des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, Rainer Stamm, der sämtliche Werke dokumentiert hat, die von den Nazis gestohlen wurden. „Daher wissen wir auch, dass mindestens 17 Werke aus unserem Bestand durch die Hände des Händlers Hildebrand Gurlitt gegangen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass einige der Werke in der Münchner Wohnung gelandet sind, das wäre natürlich wunderbar.“ Die Museen in Berlin und München waren dagegen sehr zurückhaltend.

Für den österreichischen Kunstexperten Alfred Weidinger ist der Kunstfund keineswegs überraschend. „Dass diese Sammlung existiert, das war kein Geheimnis. Im Grunde genommen hat jeder wichtige Kunsthändler im süddeutschen Raum gewusst, dass es das gibt - auch in der Dimension“, sagte der Vizedirektor des Wiener Belvedere der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Er wirft deshalb den Restitutionsforschern Versäumnisse vor. „Wenn man im Jahr 2013 darauf kommt, dass es in München die Sammlung Gurlitt gibt, dann haben die ihren Job nicht richtig gemacht.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Mittwoch gemeldet, dass die Alliierten einige von Gurlitts Werken nach Kriegsende beschlagnahmt hätten. Aus Dokumenten ergebe sich, dass sie von 1945 bis 1950 verwahrt worden seien. Die Alliierten hätten Hildebrand Gurlitt zu dessen Rolle als privilegiertem Kunsthändler unter den Nazis befragt und darüber Protokolle angefertigt.

An diese Protokolle sollen sie Listen mit mehr als hundert beschlagnahmten Kunstwerken aus seiner Privatsammlung angehängt haben. Darunter soll unter anderem das bislang unbekannte Selbstbildnis von Otto Dix und die Gouache von
Marc Chagall sein. Bis auf zwei Bilder seien die Werke Gurlitt 1950 zurückgegeben worden, schreibt das Blatt.