Vorfreude auf Claude Monet

Wuppertal zeigt ab dem 11. Oktober die erste umfassende Ausstellung des französischen Malers in Deutschland.

Wuppertal. Nicht nur Menschen haben Ecken und Kanten. Auch Gebäude sind nicht immer rundum perfekt. Um Meisterwerke von Claude Monet (1840-1926) gebührend zu empfangen, hat sich Hausherr Gerhard Finckh deshalb etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Künftig gibt’s im Wuppertaler Von der Heydt-Museum einige Kanten weniger. Schreiner sind dabei, aus einem eckigen Raum einen ovalen Saal zu machen - Holzverkleidungen sollen für die perfekte Illusion sorgen.

Ein Aufwand, der eine Brücke von der Wupper zur Seine baut: Finckh möchte "einen Eindruck davon vermitteln, wie es in Paris ist". Gemeint ist die Orangerie, in der der heutige Museumsleiter als 17-Jähriger erstmals Monets meterlange Seerosen-Bilder erblickt hat.

40 Jahre später holt er Pariser Flair nach Wuppertal. Doch die Ausstellung, die am 11. Oktober eröffnet wird, soll mehr sein als eine Imitation. Ganz im Gegenteil. Sie ist "eine Sensation", wie der Direktor stolz und unbescheiden ankündigt. "Die erste umfassende Monet-Schau in Deutschland" ist bis zum 28. Februar 2010 in Wuppertal zu sehen.

Zwar wurden in München, Bremen und Stuttgart bereits einzelne Aspekte aus dem (Spät-)Werk des Impressionisten gezeigt, zum ersten Mal wird er nun aber mit einem Gesamtüberblick gefeiert. Es geht also rund, und das ist in diesem Fall keine leere Floskel. Anfang der Woche wurden die ersten der 80 Bilder und 20 Zeichnungen angeliefert - hauptsächlich aus dem Pariser Musée Marmottan, aber auch aus New York, Toronto, Budapest.

Im abgerundeten Orangerie-Saal zieht ein zehn Meter langes Seerosen-Bild alle Blicke auf sich - ein deutliches Zeichen dafür, wie groß die Kunst des Malers ist. Die lila verfremdete Szenerie ist zwar nur ein Foto, wirkt aber schon allein durch ihre Länge.

Außerdem gibt es ja noch 20 echte Seerosen-Bilder in den Nebenräumen zu entdecken. Sie sind allesamt beeindruckend, aber eben auch nur ein Teil des Ganzen. Denn in Wuppertal geht es nicht nur um das längst bejubelte Spätwerk. Dokumentiert werden vor allem auch die Anfänge, Einflüsse und Entwicklungen des Franzosen.

Wer um die Ecke denkt, den ovalen Saal verlässt und weitergeht, gelangt deshalb am Ende nicht nur zu den Seerosen-Gemälden, in denen Himmel und Wasser verschmelzen, sondern auch zu dem Fazit, dass die Schau alles hat, was man braucht, um den "ganzen" Monet zu zeigen: Auf frühere Karikaturen, die Hafenarbeitern, Kapitänen und Literaten den Spiegel vorhalten, folgen Gemälde seiner Freunde, Lehrer und Vorbilder wie Corot, Daubigny und Troyon.

Nach der dunklen, konventionellen Salon-Malerei erlebt der Besucher lichte Momente: Die Bilder werden heller, Monet findet seinen eigenen Stil, arbeitet zusehends in freier Natur und umkreist sein Lieblingsmotiv, das Wasser. Seine sonnendurchfluteten Arbeiten schimmern in zarten rosa-blau-gelben Nuancen: Monet malte Verwandte "Am Strand von Trouville" und "Blühende Apfelbäume in Vétheuil".

Da darf der berühmteste Sonnenaufgang natürlich nicht fehlen: Das Gemälde "Impression - Soleil levant" (1872) gab der Kunstrichtung überhaupt erst ihren Namen. Neben diesem Hauptwerk fallen ganze Serien ins Auge, die Heuschobern und der Kathedrale von Rouen gewidmet sind. Die Lichtstimmung macht jedes einzelne Bild zu einem besonderen - durch Gewitteratmosphäre, Morgen- oder Abenddämmerung.

"Das Arbeiten an Bildserien war bis dahin völlig unbekannt", sagt Finckh, der Monets größten malerischen Verdienst den Seerosen zuschreibt. Sie warten als Höhepunkt am Ende des Rundgangs: Die berühmten Gemälde entstanden ab 1890, als sich Monet in Giverny nördlich von Paris niederließ und einen eigenen Teich anlegte. Noch heute geben sie Rätsel auf: Welche Blüten befinden sich wirklich im Wasser, welche spiegeln sich nur darin?

Keine Frage: Es ist kein zufälliger Blick auf den Seerosen-Teich, sondern ein konstruiertes Spiel mit der Perspektive. "Monet hat damit das Tor zur Abstraktion geöffnet", betont Finckh, der bis Februar mit rund 100 000 Gästen rechnet. Das dürfte nicht zu hoch gegriffen sein, denn die Retrospektive ist nicht nur eine ovale Angelegenheit, sie ist auch eine runde Sache.