Weserburg zeigt Ai Weiwei, Jackson Pollock und Warhol
Bremen (dpa) - Mit der Farbpistole sprüht Katharina Grosse verdünnte Acrylfarbe auf eine Wand in der Weserburg Bremen. Solange, bis Schwarz, Lila und Gelb an den Ausbruch eines Vulkans erinnern. „Schon die Höhlenmaler haben Farbe in den Mund genommen und dann auf die Wand gespuckt“, sagt die Künstlerin.
Ein paar Etagen höher kippt Rainer Splitt eimerweise Farbe auf den Boden. Ein signalroter See entsteht, in dem sich die Welt spiegelt. Mehr als 40 solcher Seen hat der 48-Jährige bereits weltweit produziert.
Die beiden Berliner sind zwei von insgesamt 54 Künstlern, deren Werke ab Samstag (10.9.) in der Ausstellung „Farbe im Fluss: 20 Jahre Weserburg“ zu sehen sind. Der Chinese Ai Weiwei, der erst im Juni aus der Haft entlassene Konzeptkünstler und Menschenrechtler, ist mit glänzend schwarzen „Oil Spills“ (Ölflecken) vertreten. Sie verweisen auf China als Wiege des Porzellans und auf Umweltverschmutzung. Wenige Schritte weiter sind Gemälde des US-Künstlers Jackson Pollock inszeniert, der einst mit wilden Gesten Lack und Acrylfarbe auf liegende Leinwände tropfen ließ. Davon inspiriert, urinierten Popart-Provokateur Andy Warhol und seine Mitarbeiter auf Leinwände. Das Ergebnis: „Oxidationsbilder“.
Bis zum 29. Januar 2012 zeigt die Jubiläumsausstellung in der Bremer Weserburg Kunst, die die Farbe in den Mittelpunkt rückt. Das Sammlermuseum feiert sich damit auch selbst: Vor 20 Jahren wurde es in vier alten Kaffeespeichern auf einer Halbinsel in der Weser eröffnet. Seitdem werden dort keine eigenen Bestände gezeigt, sondern das Eigentum von etwa einem Dutzend privater Sammler. Ein Konzept, das es so bis dahin nicht gegeben hat. Museumsdirektor Carsten Ahrens spricht deswegen auch von „Deutschlands erstem Sammlermuseum“.
Trotz dieses Farbrauschs ist auch bei der Weserburg vieles im Fluss. Das von der Stadt Bremen geförderte Sammlermuseum muss die Gelder für die wechselnden Ausstellungen privat - mit Hilfe von Sponsoren - finanzieren. Zudem steht eine kostspielige Sanierung der alten Speichergebäude an.
Um sich aus der finanziellen Schieflage zu befreien, hatte das Museumsteam 2010 ein sammlungseigenes Gemälde des deutschen Malers Gerhard Richter mit einem Erlös von rund 8,5 Millionen Euro versteigert - eine in der Kunstszene umstrittene Aktion. „Rechtzeitig zum 20. Geburtstag haben wir die entscheidenden Weichen gestellt“, sagt Museumsdirektor Ahrens der Nachrichtenagentur dpa. Trotzdem sei unklar, ob die Weserburg am bisherigen Standort bleiben kann oder umziehen muss. Der Kampf um die Finanzen gehe weiter.
Gefeiert wird trotzdem. Als ein Höhepunkt von „Farbe im Fluss“ gilt die für Freitagnachmittag (9.9.) geplante Performance „Green Bremen“. Vom Boot aus wird der argentinische Künstler Nicolás Uriburu die Weser rund um das Museum grün einfärben. Der Naturschutzbund Nabu kritisiert die von der Umweltbehörde genehmigte Aktion als „schlecht“. Museumsdirektor Ahrens kontert, der Künstler werde fluoreszierendes Uranin verwenden, das „absolut unbedenklich“ sei.
Er freut sich auf die Unberechenbarkeit der Aktion: „Es hängt von den Strömungsverhältnissen unserer verrückten Weser ab, ob die Farbe sofort in die Tiefe gezogen wird oder wolkig an der Oberfläche schwebt. Auch hier ist alles im Fluss.“