Zeitkapsel Kunstwerke werden zum Mond geschossen

DÜSSELDORF · Elena Degenhardt ist eine von Tausenden Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren Werken bei dem Projekt „Lunar Codex“ dabei sind.

 Die von der Künstlerin gemalte sinnliche und etwas surreale Wasserlandschaft.

Die von der Künstlerin gemalte sinnliche und etwas surreale Wasserlandschaft.

Foto: wz/Degenhardt

Keine Kunstausstellung ist so weit entfernt wie diese. Und es ist auch keine Kunstausstellung im eigentlichen Sinne. Sie kann, vorläufig zumindest, von niemandem besucht werden. Und doch sollen die etwa 30 000 Kunstwerke, zu der nicht nur Gemälde, sondern auch Literatur, Musik und Filme zählen, in ferner Zukunft von jemandem angesehen und angehört werden. Spätere Generationen der Menschheit, vielleicht aber auch Wesen, die gar nicht von der Erde stammen, sollen sie dereinst finden. Auf dem Mond.

Dorthin nämlich sollen sie ab November bei verschiedenen Weltraummissionen transportiert werden. Im Rahmen des von dem Kanadier Samuel Peralta initiierten Projekt „Lunar Codex“. Peralta ist Physiker, Kunstsammler und Science-Fiction-Autor. Er hat Platz auf diversen Raketen gebucht, die die auf dem modernen Datenträger NanoFishe gespeicherten Kunstwerke zum Erdtrabanten bringen. Peralta sieht den Lunar Codex als „eine Nachricht an zukünftige Raumfahrer, die es diesen ermöglichen wird, einen Eindruck von unserer heutigen Welt zu bekommen“.

Eine der vielen tausend Künstlerinnen und Künstler aus 157 Ländern, deren Werke auf diese Weise vor Krieg und Umweltzerstörung auf der Erde sicher sein werden, ist Elena Degenhardt. Sie ist Mitglied der Berufsvereinigung der Bildenden Künstlerinnen und Künstler in Düsseldorf, lebt derzeit in Frankreich. Degenhardt beschreibt ihre eigene Kunst so: „Ich arbeite im realistisch-impressionistischen Stil. Dabei geht es mir nicht darum, den Realismus einer Szene darzustellen, sondern die Emotion, die diese Szene in mir erweckt.“ Eben diese Emotionen kommen auch in ihren vier Werken zum Ausdruck, die demnächst auf dem Mond landen werden.

Da ist etwa das Porträt ihres Sohnes, gemalt in einem nachdenklichen Moment, das die Stimmung vieler junger Menschen während der Pandemie wiedergibt. Oder ein Bild, das eine etwas surreale Wasserlandschaft zeigt und die Sehnsucht der Künstlerin nach dem Meer spiegelt. Degenhardt dazu: „Auf den ersten Blick drückt diese Arbeit die Gelassenheit aus, die ich beim Schweben auf der ruhigen Wasseroberfläche erlebe. Beim genauen Hinschauen sieht man die dunklen Spiegelungen auf der Wasseroberfläche, dort, wo sich die Figur eines Schwimmers, meiner selbst, befunden hätte. Die Gelassenheit kann daher nicht erreicht werden und wird schmerzlich herbeigesehnt.“

Elena Degenhardt vor einem ihrer Werke.

Elena Degenhardt vor einem ihrer Werke.

Foto: wz/Degenhardt

Elena Degenhardt sagt: „Egal, was ich darstelle, es ist das Flüchtige, das Vergehende, das Zerbrechliche, was mich interessiert.“ Und doch wird eben dieses Flüchtige nun gewissermaßen durch den Transport auf den Mond auf ewig eingefroren. Und gewiss länger überleben als die Pyramiden von Gizeh.

Warum ihre Bilder gut zu dem Projekt passen? Degenhardt zitiert den Projekt-Initiator Peralta, der den Gedanken faszinierend fand, „dass die Menschheit trotz Kriegen, Pandemien und Klimaveränderungen Zeit zum Träumen und zum Schaffen von Kunst findet“.

Degenhardts Werke werden mit zwei Raketen zum Mond gebracht. Die erste Zeitkapsel startet Mitte November in Richtung südliche Hemisphäre des Mondes. Die zweite ein Jahr später zum Südpol des Mondes. Die Künstlerin bekommt weder Geld für ihre Beteiligung an dem Projekt noch muss sie etwas bezahlen. Sie erklärt: „Die Teilnahme an diesem Projekt erfolgt durch die Einladung des Projektgründers, Dr. Samuel Peralta. Der Lunar Codex wird an Bord von Raketen von Nasa und SpaceX in den Weltraum befördert. Jeder freie Platz an Bord der Mondlandegeräte steht zum Verkauf.“ Peralta habe Platz für Lunar Codex auf drei kommenden Missionen reserviert.

Welche Gefühle weckt es in der Künstlerin, wenn sie demnächst beim Blick in Richtung Mond daran denken wird, dass sich dort oben einige ihrer Werke befinden? „Ich stelle es mir so vor: Ich werde irgendwann nicht mehr leben, vielleicht verschwinden auch die Originale meiner Bilder, aber die genauen Abbildungen dieser Werke werden im Weltraum weiter leben.“

Das Bild zeigt den Sohn der Künstlerin, gemalt während der Pandemie.

Das Bild zeigt den Sohn der Künstlerin, gemalt während der Pandemie.

Foto: wz/Degenhardt

Degenhardt erzählt, ihre Eltern hätten ein Fernrohr gehabt, als Kind habe sie viele Stunden damit verbracht, dadurch den Mond zu betrachten. „Fasziniert von seinen Formen und der Vorstellung der Unendlichkeit des Universums. Das bin ich immer noch, was auch einer der Gründe ist, warum das Meer im Zentrum meiner Kunst steht: Mit seinen reflektierenden Oberflächen und faszinierenden Tiefen sehe ich das Meer als Widerspieglung des Himmels und des Weltalls, als greifbares Universum. Der Gedanke, dass ein Teil von mir im Weltall weiter existieren wird, ist schon ziemlich surreal, aber auch schön!“