Konzert Rapper Snoop Dog feiert eine Best-Of-Party in Köln
KÖLN · Beim Auftritt in Köln schwelgen die Fans selig in Erinnerungen vornehmlich an eine Zeit zwischen den Endachtzigern und den Nullerjahren.
Nein: Für Menschen, denen das Reiten von Klischees suspekt bis zuwider ist, taugt dieser Abend nicht. Schließlich wurde der Typ da auf der Bühne, Snoop Dogg, in den Neunzigern als Gangsta-Rapper groß. Da geht es verbal schonmal etwas derber zu. „Dadadadadi, it’s the motherfuckin‘ „D“, „O“, double „G!“ und so weiter und so fort. Da gehören dann überdies auch Tänzerinnen zum Programm, die sich maximal artistisch und minimal bekleidet Eisenstangen rauf- und runterräkeln, während Snoop Dogg seine Wortspielchen abzieht.
Aber man darf nicht vergessen: Rap ist erstens ein Teil der Popmusik. Popmusik wiederum ist ohne Klischees nicht denkbar. Und die Klischees des Rap – zumal in seiner ursprünglichen, seiner US-Variante – sind nun einmal Knarren, dicke Limos und männliches Balzverhalten im Angesicht von Frauen. Und zweitens wurde Snoop Dogg nicht nur groß, sondern zum Superstar, weil er schlussendlich immer anders war als die anderen. Das zeigt er auch in Köln, wo der 51-Jährige sein einziges Deutschlandkonzert seit einer Ewigkeit und nur eines von vier Europakonzerten in einer mit 15 000 Menschen ausverkauften Arena gibt.
Das famose, seinen Ruhm mitbegründende „Deep Cover“ ist nämlich schon das zweite Stück des Abends. Da wuchert einer mit seinen Pfunden. 1992 gemeinsam mit dem ewigen Mentor Dr. Dre veröffentlicht, dreht sich „Deep Cover“ ob vieler Szene-Codes und eines sarkastischen Todernstes um Polizeigewalt gegenüber Schwarzen und deren Aufbegehren dagegen. Und es präsentierte der Öffentlichkeit seinerzeit mit dem noch jungen Snoop Dogg urplötzlich einen Rapper, der solche Gewalt- und Straßenthemen eben nicht unter Einsatz dieser typisch plakativen, dieser harten, rauen, knurrenden, bellenden oder drohenden Stimme ansprach. Vielmehr war Snoop Dogg der aus dem Weed-Nebel auftauchende Meister der Geschmeidigkeit. Er stellte die phonologischen Maßstäbe des Rap, die Art, wie dessen Worte vermittelt und wahrgenommen wurden und wirkten, auf den Kopf.
Und er blieb, apropos, dem erwähnten und in seiner Umgebung allgegenwärtigen Gras bis heute in einer Weise treu, die ihn auch zur stets mit einer Tüte in der Hand herumschluffenden und mit hinter der Sonnenbrille versteckten Augen zwinkernden Ikone der Kiffenden werden ließ.
Genüsslich zündet er sich ein weiteres Tütchen an
Die Multimedia-Projektionen auf der Bühne jedenfalls wechseln nicht nur zwischen Autos, die wahlweise brennen, einen von Palmen gesäumten Westcoast-Boulevard oder die verdreckte Piste in der Vorstadt entlangrollen – immer wieder flirren auch Rauchschwaden oder tanzen Comic-Joints über den Bildschirm. Und während andere ihre Fans durch ein angeschlagenes Riff entzünden, fangen Snoop Doggs Leute vor der Bühne Feuer, als er sich genüsslich grinsend und tief ein- und ausatmend ein weiteres Tütchen anzündet. Die Menge, die längst zur Meute geworden ist, schreit jubelnd: Für sie ist das eine herrlich überdrehte Unverschämtheit, die als symbolischer Mittelfinger aus gerolltem Kraut zelebriert wird.
Überhaupt sind die Vielen, die gekommen sind, laut – weil sie selig in Erinnerungen vornehmlich an eine Zeit zwischen den Endachtzigern und den Nullerjahren schwelgen. Es war dies eine Ära, in denen von der neuen Rap-Generation um Kendrick Lamar, Drake oder Little Simz noch nichts zu sehen war. In der diese irren Dudes um Snoop Dogg die Welle nicht nur ritten, sondern als Staffelstab-Übernehmende nach den knallharten Public Enemy und N.W.A. noch ein Stück weit höher aufbauschten.
Der bestens gelaunte sympathische Kalifornier singt nicht nur seine eigenen Hits wie „Gin and juice“ oder „What’s my name“. Er covert, sampelt und mixt sich auch wonnevoll, souverän und die Flamme des Hüpfe-Durchdrehens stets am Anschlag haltend durch Songs seiner lebenden und verstorbenen Buddys. The Notorious B.I.G., House of Pain, Dr. Dre, Pharrell Williams, 50 Cent oder der ob seines Todes in jungen Jahren zur größten Legende der Szene gewordene Tupac Shakur – sie alle sind in Geist, Klang, Wort und Beat dabei.
Natürlich ist das am Ende nichts, was irgendwie noch mit Knarren und Straßengewalt und mit dem Urschleim des Gangsta-Rap zu tun hätte. Es ist Folkore. Eine Best-of-Party mit Bassgewummer und Scratch-Gezwirbel von über Vinylplatten gezogenen Nadeln. Aber es ist eben auch ein einziges wunderbares „Jump around“ im Zeichen der ewig junggebliebenen und Generationengrenzen ignorierenden Jugendkultur des Rap, in der Typen wie Snoop Dogg auch in ihren Fünfzigern noch zeigen, wo der Reim-Hammer hängt.