Avantgarde: Peter Licht - Der unsichtbare Krittler

Der Kölner Pop-Poet Peter Licht überrascht auf seinem neuesten Album „Melancholie und Gesellschaft“ mit einem Liedermacher-Gestus à la Blumfeld.

Köln. Er lässt beim Interview in der "Harald Schmidt Show" nur seinen Körper filmen, nicht sein Gesicht. Er weist bei seinen exklusiven Konzerten darauf hin, nicht fotografiert werden zu wollen. Beim Ingeborg-Bachmann-Preis verlangt er von den Kameraleuten, sie sollten ihre Linsen ausschließlich auf seine Rückansicht richten.

Und selbstverständlich würde er niemals seinen bürgerlichen Namen und andere biografische Details preisgeben. Peter Licht ist eben nicht nur Popmusiker und Dichter - er ist auch ein Meister darin, sich unsichtbar zu machen. Im Laufe seiner Karriere hat er keine Mühen gescheut, sich als geheimnisvolles Phantom zu inszenieren.

Doch die Festung der Unnahbarkeit, die das Multitalent so effektvoll um sich herum aufgebaut und ihm ein Höchstmaß an medialer Neugier beschert hat, sie wird vom Künstler selbst mehr und mehr eingerissen.

Während seine Konzerte und Lesungen früher rar gesät waren, stellt sich PeterLicht nun immer häufiger ins Scheinwerferlicht. Bevorzugter Auftrittsort: die Schauspielhäuser der Republik, ob Hamburg oder Köln.

Und als ob das nicht schon genug extrovertierte Präsenz wäre, nahm er es auch noch hin, dass der Kulturteil der FAZ ein großformatiges Porträtfoto von ihm abdruckt. Entdeckt Peter Licht nun doch die Annehmlichkeiten öffentlicher Aufmerksamkeit, die dem Ego so wohlig schmeicheln? Kann er dem süßen Duft des Erfolgs nicht mehr widerstehen?

Zu solchen Vermutungen gäbe es durchaus Anlass: Immerhin wurde PeterLicht in den vergangenen zwei Jahren von Lobhudeleien überhäuft, hat sich als versponnener Grenzgänger zwischen Pop und bildungsbeflissener Salon-Kultur fest etabliert.

Er hat 2007 mit seiner eigensinnigen Dada-Prosa den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewonnen. An den Münchener Kammerspielen wurde eine Theater-Adaption seiner anarchischen Textsammlung "Wir werden siegen" unter großem Applaus aufgeführt.

Sein Album "Lieder vom Ende des Kapitalismus" aus dem Jahr 2006 war ein Meisterwerk voll mit doppelbödigem Sprachwitz und musikalischer Pointiertheit - getragen von einem Elektropop, der so federleicht flirrte, dass man meinte, er könnte im nächsten Augenblick vom Sommerwind fortgeweht werden.

Jetzt hat PeterLicht ein neues Album veröffentlicht, das den Titel "Melancholie und Gesellschaft" trägt. In den geradlinig produzierten Songs hallt wider, dass dort jemand von einer Randexistenz als spleeniger Querkopf in den Kokon des wohlsituierten Feuilleton-Mainstreams emporgestiegen ist.

Während die "Lieder vom Ende des Kapitalismus" noch als hinterlistiger Aufruf zum zivilen Ungehorsam gegen eine neoliberale Leistungsgesellschaft funktionierten, so dominiert auf "Melancholie und Gesellschaft" balladeske Innerlichkeit mit Gefälligkeitsgarantie.

Da tönt sachte eine Sehnsuchts-Romantik, die den Blick in vergebliche Beziehungskisten riskiert, die Vergänglichkeit von Freundschaften betrauert oder die Monotonie des Alltäglichen konstatiert. Die verspielten Elektro-Partikel, die seine Songs bisher immer so angenehm in Schräglage brachten, sind ausradiert worden - stattdessen überwiegt aufgeräumter Gitarren-Pop mit Liedermacher-Gestus, dessen elegischer Einschlag manchmal an die späten Blumfeld erinnert.

"Ich wollte auf meinem neuen Album eine ironiefreie Zone errichten", hat PeterLicht angekündigt - und dieses Versprechen eingehalten.

Doch von fluffiger Befindlichkeits-Duselei ist Peter Licht weit entfernt. Was seinem sprachlichen Esprit zu verdanken ist. Wer Verse wie "Die Zukunft leuchtet schon / wir halten unsere Hände / in ihre wärmenden Ränder" singt, der vereint so beiläufig wie virtuos Pop und Poesie, Leichtigkeit und Tiefgang. Potenzmittel wie Rätselspiele um seine Identität hat PeterLicht also eigentlich gar nicht nötig.