POP: Tanzen, auch wenn’s weh tut
Dem Berliner Quintett Mia. ist mit „Willkommen im Club“ ein stimmiges Album gelungen, auf dem die Bandmitglieder einen tiefen Blick in ihr Innenleben gewähren.
Letzten Endes ließ sich alles, die tagelangen Gespräche im September 2007, die Suche nach einem neuen Konzept, einem Überbau für das neue Album, auf drei Worte reduzieren: "Lasst uns tanzen!"
Sie prangten auf einem Stück Papier, das sich Mia. an die Studiowand klebten. Niemand sollte vergessen, wofür die Songs, die noch zu schreiben waren, stehen würden. Für "etwas sehr Leichtes, etwas Unsichtbares, das die Leute trotzdem bewegen soll", wie Drummer Gunnar Spies es ausdrückt.
Eine Woche ist es bis zur Veröffentlichung von "Willkommen im Club". Der Titel des Albums ist genauso programmatisch wie die Parole auf dem Waschzettel. Gunnar Spies versucht sich zu entspannen, leicht aufgeregt scheint er trotzdem. Er raucht. Immer wieder verheddert er sich etwas in seinem Enthusiasmus, die gemeinsame Arbeit zu schildern. Dabei fallen solche netten Sätze wie: "Die kleinen Geister, die in uns Lieder singen, muss man kitzeln, damit sie herauskommen und zu Songs werden."
Klingt so, als würden Mia. trotz aller beteuerten Zielgerichtetheit eher assoziativ arbeiten. Tatsächlich ist das auch einer der Kritikpunkte, die Frontfrau und Texterin Mieze Katz sich immer wieder gefallen lassen muss. Dass es verschwurbelter Befindlichkeitsschmu wäre, den sie seit 2002, der Veröffentlichung des ersten Albums, abliefert.
Ihre Daseinsberechtigung sprechen Mia. ohnehin viele Popgeneigte ab, seit sie sich für das Video zur Single "Was es ist" in Schwarz/Rot/Gold kleideten. Ideologische Geziertheit traf da auf naiv-fröhliches Sendungsbewusstsein.
Den Sturm der Entrüstung, die Vorwürfe gar, Mia. seien nationalistisch verblendete Unpersonen, will und kann man im Nachhinein allerdings nicht verstehen. Kein Textfetzen, auch kein Interview lässt auch nur ansatzweise diesen Verdacht zu. Mieze Katz und ihre Band haben trotzdem ungerechterweise mit dieser Hypothek zu kämpfen.
Diesen Druck scheinen sie sinnvoll für sich nutzen zu können. Vielleicht ist er ihnen auch völlig egal. Fakt ist in jedem Fall, dass jedes Album, das Mia. seit ihrem Debüt veröffentlicht haben, eine qualitative Steigerung bedeutete. Weg von einer leicht kreischigen Tralala-Verspieltheit hin zu entwaffnend ehrlichen Gefühlsoffenbarungen, die auch musikalisch immer mitreißendere Melodien fanden, detailverliebt zwischen Elektropop und Garagenrock arrangiert.
"Willkommen im Club" ist insofern das bislang gelungenste Album, als es zum ersten Mal einen in sich geschlossenen Eindruck erweckt. Die Vorgänger "Stille Post" (2004) und "Zirkus" (2006) krankten ein wenig daran, von einigen formidablen Popsongs ("Hungriges Herz", "Tanz der Moleküle", "Zirkus") zu leben, allerdings auch mit viel Füllmaterial überfrachtet gewesen zu sein.
Diesmal schien das Prinzip, dass alle Bandmitglieder zusammentragen, was sie umtreibt, aufzugehen. Dieses "schöpferische Kollektiv", wie Gunnar Spies es nennt, hat sich in der Vergangenheit öfter im Weg gestanden. Auffällig ist dabei aber, dass der Grundton der elf Tracks düsterer ist, dass man die jauchzende Lebenslust vermisst, die bei Mia. selbst dann durchdrang, wenn sie von Liebeskummer oder - sozialkritisch - von Umweltverschmutzung sangen.
A propos: Politisch hält sich Mieze Katz diesmal völlig bedeckt. Die Texte der 29-Jährigen sind eher "gekennzeichnet von einem Blick nach innen", spricht Gunnar Spies für sie. Dieser Blick hält ein gerüttelt Maß an Zweifeln und gewichtigen Fragezeichen bereit. "Wie komme ich eigentlich hierher, was hat das alles zu bedeuten" - Mia. sind am Scheideweg, und wie es nunmal ihre Art ist, machen sie aus ihren Herzen keine Mördergrube.
"Komm her und tanz mit mir, mein Freund!", fordert Mieze auf der ersten Single und klingt dabei, als würde etwas enden, das nie enden dürfte, aber zwangsläufig enden muss. Der jugendliche Taumel, er findet mit "Willkommen im Club" seinen Abschluss. Schöner, vor allem unaufdringlicher werden Popstars nur selten erwachsen.