Coldplay: Neue Energie im Balladenparadies
Coldplay begeistern in Köln 16 000 Fans.
Köln. Erinnern sie sich noch, als vor etwa acht Jahren ein hagerer Brite in zu großer Regenjacke am Strand entlang schlurfte und mit großem Mund "Yellow" sang? Es war der Hit des Jahres 2000, die Geburtsstunde von Coldplay. Und nichts, aber auch gar nichts erinnert acht Jahre später an diesem Abend in der Arena in Köln an eben jenen Chris Martin von 2000.
Coldplay hat seither über 30 Millionen Alben verkauft. Sie gelten als eine der erfolgreichsten Bands dieses Jahrzehnts. Und Martin ist nicht mehr verschüchtert, sondern der charismatische Frontmann einer über die Maßen kompositionsstarken Kapelle.
Minutenlang erfüllt Walzermusik die Halle und führt hin zu den sphärischen Instrumentalklängen von "Life in Technicolor" vom aktuellen Album "Viva La Vida Or Death And All His Friends".
Die schattigen Umrisse von Chris Martin, Jonny Buckland (Gitarre), Guy Berryman (Bass) und Will Champion (Schlagzeug) werden hinter einem Vorhang sichtbar, der Jubel brandet auf und kulminiert im Opener "Violet Hill", der Song, der mit seiner kraftvollen Energie und den einhämmernden Gitarrenakkorden einen Unterschied zu den seichteren Anfangsjahren markiert.
Coldplay sind energischer und experimentierfreudiger geworden, kein Zweifel. Aber das kann jetzt warten, zuerst dürfen sich die Fans heimelig fühlen, "Clocks", "In my Place" und "Speed of Sound" binden sie - altbekannt - an diese vier Musiker, die vor dem Eugene-Delacroix-Revolutionsgemälde "Die Freiheit führt das Volk" Aufstellung genommen haben.
Aufstellung? Chris Martin ist davon weit entfernt, hyperaktiv hüpft er über die Bühne, beweist mit Gitarre, am Klavier und mit der Mundharmonika all seine außergewöhnlichen Talente, ist Chef und Narr zugleich. Aber die Seele der Fans halten sie erst mit "Fix you" in Händen, den die Masse hymnisch mitgrölt. Martin findet es "incredible".
Unglaublich allerdings auch, wie die vier Briten "God Put a Smile Upon Your Face" und "Talk" in elektronisch verzerrten Remixes verschandeln. Martin macht das auf dem Steg, der weit ins Publikum hineinragt, allein am Piano mit "The Hardest Part" wieder gut, der kraftvolle und stimmungsreiche Höhepunkt "Viva La Vida" reißt das Publikum aus der just aufgebauten Baratmosphäre.
Die Bühnenshow - von Brian Eno komponiert - unterstützt mit vielen Lichteffekten und Videoinstallationen die Atmosphäre der Songs. Ihren schwermütigen Welthit "The Scientist" spielen sie ohne jeden Verstärker in einem Block im Oberrang. Nie waren Coldplay ihren Fans so nah.
Mit dem eindringlichen "Politik" beginnt die Zugabe, zu "Lovers in Japan" rieseln Konfetti-Schmetterlinge auf die Fans hinunter. Und am Ende, nach 100 Minuten, steht "Yellow", der Song aus dem Jahr 2000. Der Kreis schließt sich. Der Abend ist rund. In einer neuen Dimension.