Pop: Interview mit Thomas D.: „Ich dehne meine 15 Minuten“
Thomas D legt mit „Kennzeichen D“ sein drittes Solo-Album vor. Im Interview spricht er über Superhelden, Castingshows und seine Grenzerfahrungen beim Tsunami 2004.
Düsseldorf. Thomas D hat Muskelkater. Am Tag zuvor hat er in München am "Human Race" teilgenommen, einer Benefizveranstaltung initiiert vom Sportartikelhersteller Nike.
"Ich hatte wenig Zeit zu trainieren", erklärt er, dass er etwas breitbeinig über den M.A.R.S. läuft, die Landkommune in der Eifel, in der er mit seiner Familie lebt. "Die zehn Kilometer habe ich trotzdem unter einer Stunde geschafft."
Sie engagieren sich für die Tierschutzorganisation PETA, weisen auch gerne auf fragwürdige Unternehmenspraktiken von Großkonzernen hin. Nimmt man da an einer Aktion, die von Nike initiiert ist, mit Magenschmerzen teil?
Thomas D: Ich sehe das Robin Hood-mäßig. Gebt mir das Geld, ich setze es für etwas Sinnvolles ein. Deswegen habe ich in diesem Fall kein schlechtes Gewissen. Ich vertrete beim "Human Race" auch etwas, das mir liegt, nämlich gesunder Geist, gesunder Körper. Das ist eine Sache, für die ich mein Gesicht hinhalten kann.
Wie schwierig ist es, heutzutage ein guter Mensch zu sein?
Thomas D: Der Wohlstand, den wir genießen, geht ohnehin auf Kosten anderer. Da sind es dann eher die kleinen Dinge wie Bio kaufen, die man ändert, um vielleicht im Großen etwas zu bewirken.
Gibt’s Sachen, auf die Sie nicht verzichten wollen, obwohl sie politisch nicht korrekt sind?
Thomas D: Ja, klar. Die Apple-Produkte haben für ihre Technik ein paar Mal eine abgewatscht bekommen, weil die sich angeblich nie mehr abbauen lässt. Ich kaufe mir die trotzdem.
Auf Ihrem Album findet sich auch der Song "An alle Hinterbliebenen", der auf die Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004 Bezug nimmt. Sie waren mit Ihrer Frau und Ihrer Tochter damals in Thailand. Warum sprechen Sie erst jetzt darüber?
Thomas D: In Khao Lak ist jeder dritte Tourist ums Leben gekommen. Wir haben alle drei überlebt. Und plötzlich waren da immer mehr Promis, die alle irgendetwas aus dem Katastrophengebiet zu erzählen hatten, nach dem Motto, wir hatten Glück, unsere Villa stand erhöht. Da dachte ich: Wie können die sich äußern, wo die noch nicht mal um ihr Leben gekämpft haben. Zu denen wollte ich nicht gehören...
...schon alleine deswegen, weil Sie mittendrin waren.
Thomas D: Wir standen am Strand, 20 Meter entfernt. Dort sind wir von der Welle erfasst worden und viereinhalb Kilometer ins Land hinein gespült worden.
Was hat sich seitdem persönlich für Sie verändert?
Thomas D: Ich bin mir jetzt im Klaren darüber, dass der Tod mein ständiger Begleiter ist. Ich war einmal so lange unter Wasser, dass mir klar war, jetzt musst du nur noch ausatmen. Das war aber keine Panik nach dem Motto: O mein Gott, ich sterbe.
Eine Grenzerfahrung?
Thomas D: Ja. Ich dachte: Wenn du jetzt stirbst, hat das Leben keinen höheren Plan. Das wollte ich nicht glauben. Jede Faser meines Bewusstseins wollte nicht akzeptieren, jetzt zu sterben. Und dann war ich wieder an der Oberfläche.
Da kam eine Luftmatratze, auf die habe ich meine Tochter draufgeworfen, und dann sind wir zusammen vorbei an Häusern, Autos, Kühlschränken, Balken, was da eben rumschwamm. Immer im Fluss bleiben, bloß nicht anecken. Wenn du irgendwo stecken bleibst, bist du tot.
Hat das Album einen höheren Plan?
Thomas D: Nein, das Album hat im Gegensatz zu "Lektionen in Demut" (2001) keinen höheren Plan. Es entstand eher in der Freude darüber, dass ich das darf, was ich mache.
Ein anderer Song behandelt die "15 Minutes of Fame", Andy Warhols berühmte Prognose in den 60ern, dass irgendwann jeder Mensch 15Minuten lang im Rampenlicht steht. Was hätten Sie gemacht, wenn es für Sie bei diesen 15 Minuten geblieben wäre?
Thomas D: Wie meine Mutter schon sagte: Er hat ja was Ordentliches gelernt, ist Friseur geworden. Er kann jederzeit wieder zurück. Das hätte ich aber nicht gemacht, da bin ich sicher.
Aber was hätte ich dann gemacht? (denkt nach) Früher wollte ich Philosophie und Psychologie studieren. (macht wieder eine Pause) Ich weiß wirklich nicht, was ich gemacht hätte. (lacht) Vielleicht wäre ich in der Gosse gelandet.
Inwiefern bestimmen uns diese 15Minuten Ruhm mittlerweile?
Thomas D: In dem Song ziele ich auf "DSDS" und Konsorten ab, erhebe aber nicht den Zeigefinger. Jeder kann da mitmachen, er soll es nur nicht zu ernst nehmen und sich immer bewusst sein, dass diese Zeit zu Ende geht. Auch meine Zeit wird irgendwann zu Ende gehen. Ich dehne meine 15 Minuten nur ein bisschen.
Wie haben Sie reagiert, als Ihr Manager Bär Läsker plötzlich in der Jury von "DSDS" saß?
Thomas D: Ich muss jetzt mal gestehen, dass ich das Konzept ganz gut finde. Als der Bär dann dabei war, habe ich natürlich geguckt, wie er sich verhält. Und ich fand, das war in Ordnung. Die Charaktere, die jetzt dabei waren, fand ich allerdings nicht so richtig interessant.
Sie lieben Superhelden-Comics. Sagt es etwas über die Gesellschaft aus, dass solche Geschichten immer populärer werden?
Thomas D: Als Kind will jeder etwas Besonderes sein. Und Superhelden verkörpern dieses Besondere. Gut und Böse sind klar definiert. Ich glaube aber nicht, dass die Menschen heute stärker nach klaren Strukturen suchen als früher. Das war in den 50ern oder in den 20ern genauso.
Haben Sie sich schonmal selbst wie ein Superheld gefühlt?
Thomas D: Ja, gestern, als ich untrainiert zehn Kilometer unter einer Stunde gelaufen bin. (lacht)