Das zierliche Mädchen und der Soul
Joss Stone trat im Kölner E-Werk vor 2000 Zuschauernauf – mit großer Stimme und TextenüberdasLebensgefühleiner 22-Jährigen.
Köln. Ein schüchtern lächelndes Mädchen betritt leise die Bühne und 2000 Zuschauer im fast ausverkauften Kölner E-Werk jubeln ihr zu. Im Gesichtsausdruck der 22-jährigen Joss Stone liegt verschämte Freude. Das ändert sich schlagartig, als sie die ersten Takte zu ihrem Song "Chokin’ Kind" singt. Plötzlich wird aus dem zierlichen Mädchen eine reife Frau mit einer Soul-Röhre, wie man sie sonst nur von ihren schwarzen Vorbildern wie Aretha Franklin und Janis Joplin kennt.
Sie singt: "Ich gab dir mein Herz, aber du wolltest meine Seele. Deine Liebe erschreckt mich zu Tode." Selbstbestimmtheit, Liebe und Lebensfreude - das sind die Konstanten in den Texten der Britin. Joss Stone holt die Hippie-Ära ins neue Jahrtausend, mischt sie munter mit Soul, R’n’B, dieser unglaublichen Stimme und dem Lebensgefühl moderner junger Frauen. Bei letzterem droht mitunter auch Langeweile. Doch bevor Stone den Gutmenschen-Pfad zu platt tritt, rudert sie zurück. "Was ich jetzt singe, klingt vielleicht scheinheilig im Vergleich zum vorherigen Song - aber scheiß drauf", sagt sie zum Beispiel und kichert vergnügt.
Mit 16 das erste Album, mit 18 zwei begehrte Brit-Awards - Joss Stone galt als Wunderkind, und wurde von Branchenprofis gewinnbringend vermarktet.
Doch als sie einst mit einem neuen Album zu ihrer Plattenfirma ging, hörte sie nur: "Dafür musst du dir die Haare wieder blond färben." Joss Stone war erst verletzt, dann wütend. Seitdem macht sie stur das, was ihr gefällt. Ihrem neuen Label EMI setzte sie einfach ein fertiges Album vor. Das gab ordentlich Krach, denn angeblich war es nicht hitträchtig genug. Joss Stone sagte dazu: "Ich bin froh, dass das Album nicht von denen ruiniert wurde."
Die neue Platte "Colour me Free" schaffte es in Deutschland auch prompt nur auf Platz 26, die drei vorherigen rangierten lange in den Top Ten. Joss Stone kann sich das leisten, denn ihre Fans wollen kein Hitfeuerwerk hören, sondern ihre Stimme, ihre Texte, die Arrangements ihrer großartigen Band. Auf der Bühne wird echte, pure Musik gemacht.
Und so lässt man sich an diesem Mittwochabend in Köln gerne einhüllen von dieser Stimme und diesem Lebensgefühl, mit dem eine 22-Jährige ihrem zum Teil deutlich älteren Publikum zu verstehen geben will: Seid ihr selbst, "behaltet auch in der Liebe etwas nur für euch zurück". Schon wieder Gutmenschen-Alarm. Joss merkt es und schiebt schelmisch hinterher: "Ich sage das mit der langen Lebenserfahrung, die ich in meinem Alter habe." Man lacht - und glaubt es ihr. Weitere Termine: 4.3. Berlin, 5.3.Hamburg, 7.3. Brüssel.